Ortkemper, Hubert (Hg.)

Werner Richard Heymann

"Liebling, mein Herz lässt dich grüßen". Der erfolgreichste Komponist der UFA-Zeit erinnert sich, mit CD

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2011
erschienen in: das Orchester 12/2011 , Seite 71

Werner Richard Heymann (1896-1961) war der „erfolgreichste Komponist der UFA-Zeit“ (so der durchaus zutreffende Untertitel des Buchs), zu seinen Liedern gehören neben dem als Buchtitel verwendeten u.a. Ein Freund, ein guter Freund, Das ist die Liebe der Matrosen oder Irgendwo auf der Welt, die zusammen mit weiteren Titeln auf der beiliegenden Bonus-CD zu hören sind. Auch wenn die Filme, für die diese Songs verfasst wurden, heutzutage kaum mehr im allgemeinen Bewusstsein sind, haben sie überlebt, nicht nur durch die Comedian Harmonists. Heymanns eigentliche Erfindung ist die Tonfilm-Operette. Es ist faszinierend zu lesen, wie er ohne reale Vorlagen auf diesem Feld Neues ausprobierte. Die Drei von der Tankstelle mit den damals jungen Stars Lilian Harvey, Willy Fritsch und Heinz Rühmann war ein Kassenschlager.
Dabei war Heymann diese Entwicklung nicht in die Wiege gelegt, er hatte die Absicht, nach frühen Kompositionsstudien in seiner Geburtsstadt Königsberg ein Orchesterkomponist zu werden – seine als 19-Jähriger geschriebene Rhapsodische Sinfonie wurde gar von den Berliner Philharmonikern uraufgeführt. Der interessante Teil dieser Biografie widmet sich seinen Tätigkeiten als Stummfilmkompilator in Berlin sowie seiner Arbeit für das Kabarett und den frühen Tonfilm. Neben handwerklichem Können verschafften Zufälle und eine gehörige Portion Unbedarftheit Heymann die nötigen Kontakte für seine Karriere. In seinem Buch taucht eine Fülle von Personen auf, deren Beschreibung nur wenig zu wirklichen Skizzen heranwachsen. Insofern ist die Aussage des Herausgebers richtig, dass die Biografien dieser Personen aufgrund dieser Ausführungen nicht umgeschrieben werden müssen. Die Unsicherheiten der Exilzeit werden deutlich dargestellt, obwohl Heymann auch in Hollywood durchaus erfolgreich war. Gegen Ende wird das Buch ausufernd, enthält Nebensächliches und sehr Persönliches.
Eine erste Ausgabe dieses Buchs erschien vor zehn Jahren beim Henschel-Verlag. Diese inzwischen vergriffene Ausgabe ersetzt die hier vorliegende, ergänzt um weitere Kapitel, die durch die Auswertung von Dokumenten aus dem Besitz der inzwischen verstorbenen Witwe entstanden sind. Die Erinnerungen sind bis zum Jahr 1928 diktiert. Für die Zeit danach hat der Herausgeber Hubert Ortkemper Rundfunkinterviews, Briefe u.a. ausgewertet und aufgeschrieben. Unterbrochen wird der Text durch im Schrifttyp abgesetzte Informationen zu genannten Personen bzw. Ereignissen. Der Datenteil enthält ein Werkverzeichnis und ein umfangreiches kommentiertes Personenregister, in den Text eingefügt sind zahlreiche Abbildungen.
Heymanns Erinnerungen sind ein Mosaikstein der kulturellen und politischen Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die Biografie eines jüdischen Künstlers, der die Goldenen Zwanziger maßgeblich mitprägte, ins Exil gezwungen wurde und in der Nachkriegszeit versuchte, sich den veränderten Bedingungen zu stellen. Auch könnte diese Veröffentlichung einen Anlass bieten, einige seiner Lieder erneut zu hören oder zu musizieren.
Christian Kuntze-Krakau