Werke von Karl Amadeus Hartmann, Maurice Ravel und Aziza ­Sadikova

Rebekka Hartmann (Violine), Rachmaninoff International Orchestra, Ltg. Kent Nagano

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: FARAO classics
erschienen in: das Orchester 11/2025 , Seite 76

Eine ungewöhnliche Zusammenstellung an moderner, teils beeindruckender Violinliteratur des 20. Jahrhunderts erwartet den interessierten Hörer der vorgestellten CD. Die international gefeierte Geigerin Rebekka Hartmann präsentierte erst jüngst mit dem Rachmaninoff International Orchestra unter der Leitung von Kent Nagano – erneut beim Münchner Label Farao Classics – eine weitere CD. Neben Maurice Ravels berühmter Konzertrhapsodie Tzigane erklingt das überaus selten gespielte Concerto funèbre für Violine und Streichorchester von Karl Amadeus Hartmann sowie das erst 2020 entstandene Konzert mit dem Titel Stradivari für Violine und Orchester von Aziza Sadikova. Wohl nicht ganz zufällig wurde der Titel gewählt: Rebekka Hartmann ist stolze Besitzerin einer Violine von Antonio Stradivari aus dem Jahre 1675, die „Hartmann Stradivari“ getauft wurde.
Mit dieser Werkauswahl stellte die Künstlerin die Auswahl dreier relativ kurzer und stilistisch unterschiedlicher Werke unter einem recht bemerkenswerten Aspekt zusammen: „Von der Dunkelheit ins Licht“. Europa sei „überreich an so prachtvollen wie unterschiedlichen kulturellen Prägungen. Was darin für ein beinahe utopisches Potenzial liegt, zeigt Musik, die weniger auf die Abgrenzung des Eigenen, sondern mehr auf das Interesse am Anderen liegt.“ Und insbesondere die drei Komponisten würden „auf verschiedene Art die Eigenheiten, Gegensätze und Gemeinsamkeiten dieses Kontinents spiegeln“, so die Autorin Rita Argauer, die das Booklet verfasst hat.
Während Ravels Tzigane von 1924 hier zu Recht als eine „Feier der kulturellen Offenheit“ dargeboten wird, wirkt das Concerto funèbre von Karl Amadeus Hartmann sehr düster. 1939, im Jahr seiner Entstehung, klingt es für unsere Ohren sehr prophetisch in der Ahnung, was bald für eine Katastrophe kommen würde. Die damaligen Tonkünstler – wie auch Béla Bartók, der fast zeitgleich sein ebenso düsteres und ahnungsvolles Divertimento für Streicher komponierte – hatten dieses feine Empfinden für ihre ins Dunkel abgleitende Zeit.
Mit vollem Bogenstrich, sehr ausdrucksstark und mit hoher Intensität spielt sich die Geigerin durch die von Kent Nagano kompakt zu Gehör gebrachten Werke. Sie trifft auch jeweils den passenden Ton für eine von zupackender Leidenschaft geprägte Interpretation mit überzeugender Technik und feinsinniger Virtuosität. Insbesondere das Stück von der in Berlin lebenden, usbekischen Komponistin Aziza Sadikova scheint Rebekka Hartmann auf den Leib geschneidert. Der Titel soll inspiriert sein von einem sowjetischen Film, in dem die Geschichte des italienischen Geigenbauers mit einem Raub einer Stradivari in Moskau verknüpft wird. Die Komposition ist von zeitgenössischen Klängen geprägt, worin Phrasen von Giuseppe Tartini zitiert und verarbeitet werden.
Werner Bodendorff

Page Reader Press Enter to Read Page Content Out Loud Press Enter to Pause or Restart Reading Page Content Out Loud Press Enter to Stop Reading Page Content Out Loud Screen Reader Support