Berio / Stockhausen / Messiaen / Donatoni / Penderecki / Denisov / Bucchi

Werke für Klarinette Solo

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Dreyer Gaido CD 21049
erschienen in: das Orchester 10/2010 , Seite 78

Schon nach wenigen Minuten von Luciano Berios Sequenza IX, dem ersten Werk dieses Recitals mit Solowerken aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, wird offenkundig, dass hier mit der spanischen Klarinettistin Laura Ruiz Ferreres eine außergewöhnliche, ja phänomenale Musikerin am Werk ist. Sie fasziniert durch ihre Gestaltungskraft, ihre extrem große Klangsinnlichkeit und ein vielfältiges Tonspektrum. Ihre exzellente Spieltechnik lässt die technisch schwierigsten Stellen mit der größten Selbstverständlichkeit erklingen. Selten hört man Läufe so perlend und klar gespielt. Dass sie auch die zeitgenössischen Klangeffekte beherrscht und z.B. über ein perfektes Doppelzungenstaccato verfügt, macht sie zur idealen Interpretin dieses Querschnitts durch das zeitgenössische Solo-Repertoire für Klarinette.
Laura Ruiz Ferreres hat ein vielfältiges Klarinettenstudium absolviert, zunächst in Spanien bei Joan Enric Lluna, dann u.a. bei Anthony Pay und Francois Benda. Bislang war sie erste Solo-Klarinettistin im Orchester der Komischen Oper Berlin. Daneben hat sie das Ensemble Mediterrain mitbegründet. Inzwischen wurde sie zur Professorin an die Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Frankfurt am Main berufen. Ihren zukünftigen Studenten kommt zugute, dass sie sowohl das deutsche als auch das französische System auf der Klarinette gleichermaßen perfekt beherrscht.
Wie vielseitig das Solo-Repertoire für Klarinette in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist – man kann geradezu von der Blütezeit der Solo-Literatur sprechen –, zeigt die interessante Programmwahl der CD. Sie beginnt nicht chronologisch, sondern mit dem längsten und von der Komposition gewichtigsten Werk, der Sequenza IX von Luciano Berio von 1980, in der er „harmonische Felder“ gestaltet. Es folgt Karlheinz Stockhausens inzwischen zum festen Repertoire gehörendes 1977 entstandenes Stück In Freundschaft, das sich aus einer Melodieformel heraus entwickelt. Mit Olivier Messiaens „Abime des oiseaux“ aus dem Quatuor pour la fin du temps wird eines der wenigen Solostücke vom Ende der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts miteinbezogen. Dazu kontrastiert die ausgesprochene Virtuosität in Clair aus der Feder des Italieners Franco Donatoni. Ein Ge-legenheitsstück von Krzysztof Penderecki, das vierminütige Prelude von 1987, schließt sich an. Aus zwei extrem kontrastierenden Sätzen besteht die wirkungsvolle Sonate von Edison Denisov aus dem Jahr 1972, in der besonders der zweite Satz mit seinen weiten Sprüngen und schnellen Staccatofolgen fasziniert. Den Abschluss bildet das viersätzige, 1969 entstandene Concerto des italienischen Komponisten Valentino Bucchi.
Das junge Label Dreyer-Gaido hat viel Mut mit dieser ungewöhnlichen Programmzusammenstellung bewiesen, die durch die besondere interpretatorische Leistung von Laura Ruiz Ferreres auch eine ausgezeichnete Werbung für die zeitgenössische Musik darstellt.
Heribert Haase

Page Reader Press Enter to Read Page Content Out Loud Press Enter to Pause or Restart Reading Page Content Out Loud Press Enter to Stop Reading Page Content Out Loud Screen Reader Support