Genzmer, Harald
Werke für Kammerorchester
Kaum ein Komponist der neuen Musik verfügt über eine ähnliche stilistische Bandbreite wie der 1909 in Bremen geborene Harald Genzmer. Maßgeblich geprägt hat ihn sein Lehrer Paul Hindemith. Nach Tätigkeiten an der Oper in Breslau und an der Volksmusikschule Berlin-Neukölln folgte Genzmer 1946 einem Ruf als Professor für Komposition an die neu gegründete Freiburger Musikhochschule. Bis zu seiner Pensionierung 1974 lehrte er in München.
Die Experimentierfreudigkeit in seinem uvre manifestiert sich nicht nur in der Wahl ausgefallener Instrumente wie etwa dem Trautonium, für das er gleich mehrere Konzerte mit Orchester schrieb. Seine Maxime lautet stets, die Eigenschaften des jeweils verwendeten Instruments ins beste Licht zu rücken. Dabei lässt sich Genzmer immer von seinen eigenen Empfindungen leiten und ordnete sich niemals aktuellen Stilistiken unter, wie etwa dem Serialismus und der Zwölftonmusik der 1950er und 1960er Jahre.
Zeugnis davon gibt die vorliegende Veröffentlichung des Labels Thorofon, die in Kooperation mit dem Bayerischen Rundfunk entstanden ist. Im Mittelpunkt stehen Genzmers Werke für Kammerorchester. Neben der zweiten Sinfonie für Streichorchester sind ausschließlich Solokonzerte zu hören. Das Concerto für Klavier und Streichorchester zeigt vornehmlich barocke Züge und besticht nicht nur durch aparte Klangmischungen, sondern auch durch intelligente Dialoge in den Soloinstrumenten, die von Flötistin Andrea Lieberknecht und Oliver Triendl am Klavier überaus feinfühlig gesponnen werden. Das Orchester überzeugt hier vor allem durch die mannigfaltigen Intensitätsgrade, mit denen die Begleitfunktionen ausgelotet werden. Eine Aufgabe, dem sich das unter der Leitung von Alexander Liebreich stehende und hervorragend disponierte Münchener Kammerorchester mit Enthusiasmus und viel Liebe zum kompositorischen Detail annimmt. Virtuosität, gegensätzliche Variationen und häufige Taktwechsel kennzeichnen das im klassischen Stil komponierte Violinkonzert. Rainer Kussmaul geht seinen Solopart offensiv an und erzeugt somit ein
interessantes interpretatorisches Spannungsfeld zwischen Temperament und der notwendigen Prise Poesie, die es für das zarte Thema des Andante tranquillo braucht.
François Leleux komplettiert schließlich die hochkarätige Solistenriege und beweist sich im Kammerkonzert für Oboe und Streichorchester einmal mehr als Großmeister der nuancierten Tongebung. Mit ausdrucksstarker Kantabilität kommt auch die kompositorische Anlage des Soloparts daher, der gerade im langsamen Satz höchste technische Anforderungen an den Interpreten stellt. In der 2. Sinfonie gelingt dem Münchner Kammerorchester eine ausgezeichnete Balance zwischen Handwerk und Inspiration. Der Klangkörper wartet mit Harmonie im Zusammenspiel sowie rhythmischer Präzision auf und unterstreicht somit noch einmal nachhaltig, warum Genzmers Werke im Konzertrepertoire unbedingt größere Beachtung finden sollten.
Sandra Sinsch