Hilbert, Jörg / Felix Janosa

Wer hat Angst vor Mister Werwolf?

Eine musikalische Detektivgeschichte, mit CD

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Terzio/Möllers & Bellinghausen, München 2007
erschienen in: das Orchester 01/2008 , Seite 58

Um die Intentionen dieser Veröffentlichung gänzlich zu erfassen, muss man unabhängig von Buch und CD den Werbetext des Verlags gelesen haben: „Eine klassische Detektivgeschichte und ein spannendes Musikprojekt“ wird da angekündigt. Nun ist es sicherlich individuell sehr verschieden, was als spannend – vor allem zu Zeiten Harry Potters – empfunden wird. Kann das eine Geschichte – angelehnt an die Romanwelt Raymond Chandlers und seines Protagonisten Philip Marlow (in Verfilmungen unvergessen dargestellt von Robert Mitchum) – leisten, die ein bisschen „dirty“ und ein wenig „noir“ daherkommt? Stellt das ganze dann – vom Verlag übrigens als Gesamtkunstwerk deklariert –, mit großem Orchestersound angereichert unter Beteiligung der zweifellos wandlungsfähigen und durchaus eindringlichen Erzählerstimme von Martin Balscheidt, wirklich „eine zeitgemäße Form klassischen Musiktheaters für Kinder und Familien“ dar? Grundsätzliche Fragen, die sich gleich zu Anfang stellen. Oder auch diese: Warum eigentlich Buch und CD, wenn der Text zeilengleich auf der CD erscheint? Halten die Autoren ihr Produkt für so nachhaltig, dass sie meinen, Kinder würden vor Begeisterung ständig zwischen Hören und Lesen hin- und hergerissen sein?
Nun darf man ja bei einer als spannend beabsichtigten Geschichte Ablauf, Kulmination und Pointe nicht vorwegnehmen, aber ich empfand die Story als ziemlich öde und sie machte auf mich eher den Eindruck einer Aneinanderreihung von Klischees des Krimi-Genres, teilweise recht mühsam in die Diktion eines Kinderbuchs übersetzt. Unverkennbar scheint an vielen Stellen der Klassiker Peter und der Wolf durch das Geflecht der Erzählung (z.B. in der großen Schlussparade in Text und Bild). Als Parodie, als ironische Brechung oder einfach nur als Verlegenheitslösung? Musikpädagogisches Gewissen sollte Autoren vorsichtig mit solchen mehr als guten Vorbildern innerhalb des Repertoires „Musik für Kinder“ umgehen lassen.
Vielleicht steckt aber in der Musik die eigentliche Stringenz und Qualität? Das will sich beim Anhören der CD aber leider auch nicht bewahrheiten. Es ist eine sicherlich nicht schlecht komponierte Musik zu hören, die aber in ihrer Beliebigkeit einen zwingenden Zusammenhang mit den Geschehnissen der Story nicht herstellt. Das kann man tolerieren, wenn Musik intentional nur als Kulisse dienen soll, aber den Anspruch, den eine „musikalische Detektivgeschichte“ erhebt, wird man so nicht einlösen. Hochachtung gebührt unbedingt dem Arrangeur Tobias PM Schneid, dessen Name die gleiche Schriftgröße auf dem Buchtitel verdient hätte und dessen Arrangement eine fulminante Farbenpalette des sinfonischen Orchesters leuchten lässt.
Wenn es im Juni eine umjubelte Uraufführung des Stücks gegeben hat, dann sei dies allen Beteiligten gegönnt. Ob die Substanz des Werks groß genug ist, sich über längere Zeit in Kinderkonzerten zu halten, darf zumindest in Frage gestellt werden. Die Popularität des Autoren-Duos wird gewiss das Ihrige dazu beitragen. Ich dachte dennoch auch beim wiederholten Lesen und Hören: „Ritter bleib bei deinem Rost!“
Thomas Holland-Moritz