Geck, Martin
Wenn Papageno für Elise einen Feuervogel fängt
Kleine Geschichte der Musik
Eine Musikgeschichte, die von der archaischen Zeit bis in die unmittelbare Gegenwart reicht: Da erwartet man nicht weniger als eine gewichtige, mehrbändige Enzyklopädie und ist verblüfft, wenn man stattdessen ein handliches Buch von nicht einmal 200 Seiten in die Hand bekommt. Nicht abschreckend gelehrt, sondern fast verspielt kommt diese Kleine Geschichte der Musik daher, wie schon der Titel andeutet: Wenn Papageno für Elise einen Feuervogel fängt hat der bekann-te Musikwissenschaftler Martin Geck seine neueste Buchveröffentlichung benannt, die, in knappen Strichen skizziert, ganz einfach Lust auf Musikgeschichte machen soll.
Müßig ist es aufzurechnen, was alles in Gecks kursorischem Streifzug fehlt. Listig legitimiert der Autor seine selektive Vorgehensweise, indem er auf ein allbekanntes Musikstück hinweist: Mussorgskys Bilder einer Ausstellung, die ja auch in einem subjektiv gefärbten Spaziergang mit wenigen ausgewählten Stationen einen Eindruck von einem viel umfangreicheren Kunstbestand machen. Entsprechende Bilder einer Musikgeschichte zeichnet Geck in Worten nach. Dabei stehen oft bekannte Heroen wie Bach, Mozart, Schubert und Wagner im Mittelpunkt der kurzen Einzelkapitel. Wer das zu betont deutsch findet, wird auf einmal von einem sensiblen Debussy-Porträt überrascht, und ebenso unerwartet leistet der Autor der Frauenmusikbewegung einen kleinen Tribut, wenn nicht Robert, sondern Clara Schumann ins Zentrum eines Abschnitts rückt.
In anderen Teilen des Buchs stehen ganze Zeitalter zur Besichtigung, einzelne Gattungen oder Epochenbegriffe wie Klassik und Romantik, und sogar politische Querbezüge werden hergestellt, wenn Freiheitsgesänge aus dem Vormärz gewürdigt werden. Gecks Darstellung solcher Aspekte kann auch den Kenner bezaubern, ist aber wohl in erster Linie in Hinblick auf den Liebhaber geschrieben. Keine Scheu hat der Autor, bekannte Anekdoten und Schlagworte zu zitieren, um den Leser bei sich zuhause abzuholen. Fachausdrücke? Ganz ohne gehe es zwar nicht, so Geck, aber der Leser dürfe, wenn er nicht aus Interesse nachschlagen wolle, einfach mal großzügig darüber hinweglesen.
Plaudernd ist der Stil, manchmal anscheinend vom Hundertsten ins Tausendste geratend, und nicht selten geht es geradezu privat zu, wenn Geck eigene Erlebnisse und Erfahrungen einbringt und, die eigene Sinnsuche ansprechend, den Leser zum eigenen Nachdenken motiviert. Dass zwischen allem lockeren Geplauder dann doch weiterführende Gedanken aufblitzen, dass Abschweifungen zur Sache zurückführen, dass ein unsichtbarer roter Faden sich durch den Text schlingt, merkt man erst allmählich. Nicht einmal auf die zyklische Idee verzichtet Geck, wenn das ganze Buch sich schließlich rundet: Ist eingangs von der mythischen Macht der Musik bei den Naturvölkern die Rede, so enden die Ausführungen mit einem Ausflug zu Blues, Rock, Jazz und ihren schwarzen Wurzeln wiederum in einem unmittelbaren, körperbetonten Musikmachen.
Gerhard Dietel