Junker, Vera
Wasserdicht
Alles fließt aus einfachen Urmotiven entwickeln sich vielstimmige Strukturen, sie erfüllen Resonanzräume und tragen den sich einlassenden Hörer in einem immer weiter werdenden Strom davon. Dies zumindest verheißt einer der assoziationsreichen Texte, die uns Vera Junker, Solistin und Komponistin der vorliegenden CD, an die Hand gibt als Einstiegshilfe in ihre musikalischen Welten. Das titelgebende Prädikat Wasserdicht stehe für die Sehnsucht nach einem geschützten Raum. Und weiter: Im musikalischen Raum der Cellokompositionen tritt das Instrument als lebendiger Resonanzkörper in Erscheinung und führt uns mit seinen Klängen in eine tiefe innere Welt hinein.
Demjenigen, der von Haus aus eine gewisse Esoterik-Disposition mitbringt, steht diese Welt vermutlich eher offen als vielen anderen potenziellen Hörern. In jedem Fall repräsentiert Wasserdicht eine musikalische Ästhetik, die sich weniger an diskursiven Formverläufen, Kontrasten, Entwicklungen als vielmehr an der Vorstellung orientiert, alles entströme gleichsam improvisatorisch einem inspirierten Augenblick. Bei den acht Stücken dieser CD handelt es sich, wohlgemerkt, um ausnotierte Musik. Ihr spontaner und zugleich statischer Duktus signalisiert jedoch eine große Affinität zur Sphäre der Improvisation.
Vera Junker ist eine musikalische Grenzgängerin: Nach klassischer Cello-Ausbildung und universitärem Studium spielte sie in verschiedenen Crossover-, Jazz- und Folkbands, trat mit Improvisationen auf und publiziert seit 2001 eigene Kompositionen. Im Jahr 2010 erhielt sie eine Förderung als Komponistin durch den Landesmusikrat NRW, und mit Wasserdicht veröffentlicht sie ihre erste solistische CD. Hier ist sie sowohl mit dem akustischen Cello einem wunderschön sonoren Instrument von Johannes Cuypers (1793) als auch auf dem E-Cello zu hören. Der Einsatz von Loops und Delays ermöglicht die Schaffung quasi-mehrstimmiger Klangstrukturen: Über ostinaten Figuren weben live gespielte Linien weitere Netze. In einigen der Stücke treten zusätzliche Instrumente hinzu: Flöte, Klavier, Percussion.
Wir vernehmen eine Musik, die in ihren besten Momenten intensive Bilder, Farben, Traumassoziationen evoziert, in weniger geglückten Augenblicken hingegen recht viel Monotonie verbreitet, sodass man gelegentlich geneigt ist, an die Welt der Entspannungs-CDs und an gepflegte Wartezimmer-Atmosphäre zu denken. Hier sollte die Komponistin Vera Junker deren intensivem, tonschönem Cellospiel man gern lauscht skrupulöser arbeiten. Diverse Floskeln und Pseudo-Gags wie ein versehentliches Vivaldi-Zitat könnten problemlos wegbleiben. Weitere Nachlässigkeiten wie die durchweg zu hoch intonierende Querflöte und eine eingeloopte, minutenlang zu hörende unsaubere Celloquinte (in dem Stück Lamento) verstören zudem.
Otto Loewe