Walther Westhoff Bach
An Einspielungen der sechs epochalen Solowerke für Violine von Johann Sebastian Bach ist wahrlich kein Mangel. Mittlerweile gibt es auch bemerkenswerte Aufnahmen auf der Barockvioline. Diese Musik ist jedem Geiger gleichsam heilig. Sie gilt spieltechnisch und fast mehr noch geistig als singuläre Herausforderung. Die Einzigartigkeit dieser Stücke steht außer Frage, doch sind sie wirklich wie ein erratischer Block aus Bachs kompositorischem Kosmos vom Himmel gefallen? Offensichtlich nicht. Es gibt Vorbilder, zwar gewiss nicht im Blick auf den überragenden kompositorischen Rang, wohl aber hinsichtlich Geigentechnik und Form.
Die aus Mainz stammende Geigerin Uta Pape, Mitglied der Bielefelder Philharmoniker und auf vielfältige Weise in der Alte-Musik-Szene aktiv, hat jetzt in diesem Zusammenhang eine sehr schöne und spannende CD eingespielt. Zusammen mit einer Generalbassgruppe mit dem Lautenisten Klaus Mader, Olaf Reimers auf dem Violoncello und Wolf-Eckart Dietrich am Cembalo verbindet sie, auf einer Barockgeige spielend, Violinwerke von Johann Jacob Walter und Johann Paul von Westhoff mit Bach und zwar mit der berühmten Partita d-Moll BWV 1004.
Diese steht am Ende des aufgenommen Programms, das zuvor mit Werken der beiden Meister aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts deutlich macht, wie diese Violinspiel, Violintechnik und musikalische Ausdrucksmöglichkeiten auf der Violine wesentlich fortentwickelt, ja erst in der heute bekannten Form begründet haben. Auf ihre Innovationen konnte dann Bach bei seinen Meisterwerken aufbauen. Von Westhoff hatte schon Jahrzehnte vor Bach Solowerke für Violine komponiert, darunter jene auf der CD zu hörende Suite in d-Moll. Weiter hat Uta Pape eine Sonate a-Moll für Violine und Generalbass von Westhoffs und zwei Stücke aus der Sammlung Hortus Chelicus Johann Jacob Walthers für ihre Sammlung ausgewählt. Das sind alles fein gearbeitete und sehr anmutige Werke, die es verdienen, der Vergessenheit entrissen zu werden. Sie zu kennen, erweitert den musikalischen Horizont nicht zuletzt im Blick auf Bach.
Zusammen mit der vorzüglichen, weil technisch erstklassigen und spielfreudig agierenden Generalbassgruppe bietet Uta Pape ein treffliches Plädoyer für die von ihr vorgetragenen Werke. Ihr Spiel überzeugt durch technische Meisterschaft, blühende Lebendigkeit und eine feine, sehr differenzierte Vortragsweise. Sie weiß die Reize der Musik Walthers und Westhoffs aufs Schönste zum Klingen zu bringen. Ihre Interpretation der Bachschen d-Moll-Partita überzeugt durch große Klarheit und Prägnanz sowie einen natürlichen, innerlich belebten Fluss. Die Ciaccona musiziert sie gerade dank einer schlichten und unaffektierten, von allen Überzeichnungen freien Art höchst eindrucksvoll.
Das Booklet bringt sehr ausführliche und instruktive Texte von Uta Pape und der belgischen Musikwissenschaftlerin Greta Haenen. Eine überaus lohnende und sehr gelungene Aufnahme.
Karl Georg Berg