Maschka, Robert

Wagners Ring

Kurz und bündig

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2004
erschienen in: das Orchester 07-08/2004 , Seite 73

Die Literatur zu Richard Wagners Ring des Nibelungen füllt inzwischen schon kleinere Bibliotheken und ist selbst für den Fachmann kaum noch zu überschauen. Da ist es schon erstaunlich, dass es Robert Maschka mit einem schmalen Bändchen gelungen ist, eine durchaus ansprechende und kenntnisreiche Einführung in dieses zentrale Musiktheaterwerk Richard Wagners zu geben. Wagners Ring – kurz und bündig ist so kurz, dass im Titel sogar, wie oft im Alltagssprachgebrauch auch, darauf verzichtet wird, den Ring des Nibelungen auszuschreiben. Und ebenso bündig wird das vierteilige Werk vorgestellt.
Der Autor beginnt überzeugend mit der verwickelten Entstehungsgeschichte, den unterschiedlichen Quellen und den Stufen der Dichtung, die den Grundstein für den Ring des Nibelungen bilden sollten. Natürlich ist alles sehr kurz gehalten. Dennoch gelingt es dem Autor, auch auf die Brüche der Konzeption, die durch die Schopenhauer-Lektüre von 1854 (Die Welt als Wille und Vorstellung) ausgelöst wurden, hinzuweisen. Trotz aller Verknappung werden aber die Interpretationsansätze, denen Maschka zuneigt, jederzeit deutlich.
Optisch vom weiteren Text gut abgesetzt sind auch Stichworte wie „Die Rheintöchter“ oder „Loge – Feuergott und tragischer Ironiker“, die mit knappen, aber ausreichenden Erklärungen versehen werden. Oftmals sind es solche Stichworte, die den Leser in die richtige Richtung weisen. Und selbst die Besonderheiten der gewaltigen Orchesterbesetzung des Ring des Nibelungen werden auf knappem Raum nachvollziehbar erläutert. Neben einer Einführung in die Entstehungsgeschichte und die philosophisch-politischen Hintergründe von Wagners Gesamtkunstwerk gibt der Autor eine musikanalytisch unterfütterte Inhaltsangabe von Rheingold, Die Walküre, Siegfried und der Götterdämmerung auf 80 Taschenbuchseiten. Hilfreich sind dabei die im Anhang abgedruckten Notenbeispiele.
Nach dieser Lektüre kann sich der Leser sicher sein, den verwickelten Handlungsführungen, aber auch den oftmals in der Vergangenheit liegenden wichtigen Ereignissen, die die Handlung des Werks mitbestimmen, nicht nur folgen zu können, sondern dank der genauen Charakterisierung der wichtigsten Protagonisten auch eigene Schlüsse ziehen zu können. Ebenso aufschlussreich ist das Kapitel „Der Ring und seine Folgen“. Der nationalsozialistischen Vereinnahmung nicht nur des Ring des Nibelungen, sondern von ganz Bayreuth wurde schon von Cosima Wagner Vorschub geleistet, die berüchtigten antisemitischen Bayreuther Blätter Ernst von Wolzogens taten ein Übriges, um Wagner und seinen Ring in eine nationalistische Ecke zu stellen, in die das Werk nicht gehört. Die von den Nationalsozialisten beschworene „Nibelungentreue“, besonders infam am Beispiel des Todes der deutschen Soldaten im Kessel von Stalingrad propagandistisch eingesetzt, wäre ein weiteres Beispiel einer aus dem Ruder gelaufenen Rezeptionsgeschichte. Maschkas Meinung ist nichts mehr hinzuzufügen, dass „Hitler ein zeittypisches Beispiel ist für jene rechtsreaktionäre Wagner-Usurpation, die nur durch die Ausblendung wesentlicher Werkinhalte möglich war. Demnach ist Hitlers Wagner das Zerrbild eines Halbgebildeten.“
 
Walter Schneckenburger