Lehmkuhl, Josef
Wagner Stolpersteine
Richard Wagner für Unkundige
Wer ist im Hinblick auf Richard Wagner unkundig? Und wer ist kundig? Jetzt meld, was du weißt, denn etwas musst du doch wissen, fordert Gurnemanz Parsifal auf, nachdem dieser sich in vielerlei Hinsicht als unwissend entpuppt.
Und etwas über Wagner werden sicherlich alle Leser von Wagner Stolpersteine wissen, denn sonst hätten sie dieses Buch, das im Untertitel Richard Wagner für Unkundige heißt, nicht gekauft. Doch wer wollte schon von sich behaupten, alles über ihn zu wissen? Selbst wenn man seine Opern bzw. Musikdramen gut kennt, dürften die meisten theoretischen Schriften und Unmengen von Briefen für viele doch eher Neuland sein.
Und genau da setzt der Autor Josef Lehmkuhl an. Er ist von Haus aus eigentlich Chemiker, kennt sich mit Wagner aber bestens aus und hat bereits mehrere Bücher über ihn veröffentlicht. Den Begriff Stolpersteine versteht er als Türöffner, als Assoziationskeime, mit denen er Wagners Leben, Ideen und Weltanschauungen dem Leser näher bringen will.
Und das gelingt ihm erstaunlich gut. Als Aufhänger dienen ihm über 80 Zitate aus Wagners Werken, Briefen und Schriften, die er dann auf jeweils ein bis zwei Seiten erläutert und kommentiert. Dabei sind gelegentlich auch Bezüge zur Gegenwart augenzwinkernd eingebaut, wenn z.B. Stolzing aus den Meistersingern als allzu forsch auftretender Adliger aus Franken mit neuen Ideen alles ändern will (was ja offensichtlich bis heute ein Wesenszug von fränkischen Junkern ist). Und an anderer Stelle ist dann auch von fränkischen Plagiaten die Rede. Auch die Deutsche Bank sowie Merkel/Sarkozy bekommen ihr Fett ab, und Alberichs Ring-Fluch (wer ihn besitzt, den sehre die Sorge) wird in Verbindung mit dem Euro gebracht. Etwas befremdlich wirkt es allerdings, wenn Lehmkuhl meint, den Ring-Fluch allzu philosophisch in einen Fluch des Daseins über das Sein, das aus dem Nichts kam neu textieren zu müssen.
Für ganz Unkundige gibt es auch noch kurze Inhaltsangaben von Wagners dreizehn Opern, wobei es dann manchmal doch recht salopp zugeht. Wagner lässt es im Orchester krachen, heißt es über den Holländer-Auftritt, und Tannhäuser ekelt das katholische Getue in Rom an. Ärgerlich ist, dass in der Tristan-Inhaltsangabe Brangäne konsequent als Brangräne falsch geschrieben ist. Oder sollte dies vielleicht ein Test sein, ob aus dem Unkundigen vielleicht doch schon ein Kundiger geworden ist?
Nach der recht unterhaltsamen Lektüre dieses Buchs ist der Musikliebhaber in Sachen Wagner durchaus etwas kundiger geworden, ohne sich selbst durch Wagners zähe theoretische Schriften und gewaltige Mengen von Briefen durchkämpfen zu müssen. Durch geschickte Auswahl und Kommentierung der Zitate bringt uns Josef Lehmkuhl den Komponisten auf anschauliche Weise näher.
Thomas Lang