Werke von Johann Christian Bach, Alexander Glazunow u. a.

Voyages. Works for Saxophone Quartet

Eternum Quartet

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Genuin
erschienen in: das Orchester 03/2024 , Seite 68

Das Eternum Quartet ging aus der Kölner Saxofonklasse von Daniel Gauthier hervor, dem Gründer des Alliage Quintetts. 2017 gestartet, 2023 erstmals umbesetzt, bestand das Eternum Quartet in der vorliegenden Aufnahme (2022) aus Anna-Maria Schäfer (Sopransaxofon), Eva Kotar (Altsaxofon), Ajda Antolovič (Tenorsaxofon) und Filip Orlović (Baritonsaxofon). Auf dem Debütalbum findet sich Musik aus dem 18. bis 21. Jahrhundert – diese Mixtur unterstreicht die Kompetenz und Vielseitigkeit des exzellenten Ensembles. Man darf gespannt sein, wie es sich in Zukunft historisch-stilistisch orientieren wird.
Weil das Saxofon ein Spätstarter ist (Berlioz erwähnt es erstmals 1842), sind Adaptionen älterer Musik bis heute ein wichtiger Teil seines Repertoires. Hier ist es die Bearbeitung einer Sinfonia von Johann Christian Bach, dem jüngsten der Bach-Söhne und glamourösen Weltmann. Sein Stück von 1774, eine Art festlicher Ouvertüre, ist noch dreisätzig. Fröhlich und festlich klingt dieses Werk im homogenen Klang der vier Saxofone. Und viel Bläsergeschichte schwingt dabei mit. Bach schrieb seine Sinfonia in b-Moll nämlich fürs Mannheimer Hoforchester, das berühmt war für seine Bläserfarben. Das Saxofon-Arrangement stammt denn auch von Albert Meijns, der ein Harmonie-Blasorchester geleitet hat.
In stärkstem Kontrast zum 18. Jahrhundert steht das neue, einsätzige Werk Ich träumte … der jungen spanischen Komponistin Helena Cánovas i Parés. Inspiriert von einem Roman von Goran Petrović, ist es eine Klangreise hinein in irrlichternde Traumwelten. Die stehenden oder stürzenden Klänge, geheimnisvoll, unwirklich, suggestiv und teils dissonant, evozieren hier Surreales und Fantastisches. Voyager von Konstantia Gourzi, ebenfalls als Auftragswerk fürs Eternum Quartet entstanden, reist dagegen in rund 13 Minuten durch sehr gegensätzliche Klanggebiete. Die erste Station ist harmonisch-melodisch gehalten, es folgen aber andere Abschnitte, geräuschhaft, thematisch-rhythmisch, sogar choralartig. Wer möglichst viele Ausdrucksfacetten des faszinierenden Klangkörpers Saxofonquartett in einem einzigen Stück erleben möchte, ist hier richtig.
Die umfangreichste Komposition des Albums bildet Alexander Glazunows Saxofonquartett op. 109 aus dem Jahr 1932, einer der „Klassiker“ des Genres. Anders als im Booklet zu lesen, ist dies zwar nicht das historisch erste Stück für Saxofonquartett, wohl aber das erste Werk, das ein namhafter Komponist für Marcel Mules richtungsweisendes Pariser Ensemble schrieb. Glazunows Komposition sehnt sich zurück ins 19. Jahrhundert. Der zentrale Variationensatz rekapituliert dabei sogar die Stilistik Schumanns, Chopins usw. – ein bewährtes Rezept früher Saxofonwerke, um die „versäumte“ Musikgeschichte des Spätstarters nachzuholen.
Hans-Jürgen Schaal