Mämpel, Wulf

Vorhang auf!

25 Jahre Aalto-Theater. Die Essener Oper ist ein Gesamtkunstwerk und Botschafterin der Musik

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Beleke, Essen 2013
erschienen in: das Orchester 01/2014 , Seite 69

„Humanes Theater“ in einer „humanen Architektur“: Das ist der Leitfaden der von Wulf Mämpel verfassten Dokumentation Vorhang auf! 25 Jahre Aalto-Theater in Essen. Dass dieses deutschlandweit wichtige Haus „erst“ ein Vierteljahrhundert besteht und nicht schon eher realisiert wurde, hängt mit Scheuklappen-Politik und Kultur-Missverständnis im Ruhrgebiet/in Essen über Jahrzehnte hinweg zusammen. Denn der finnische Architekt Alvar Aalto hatte bereits 1959 den internationalen Wettbewerb für Essens Oper (und Ballett) gewonnen. Aalto starb 1976. Im Jahr 1988 war es dann soweit, dass mit Wagners Meistersingern diese neue kulturgeschichtliche Ära für die Metropolstadt eröffnet werden konnte. Endlich. Zwischenzeitlich hatte es ganz anders ausgesehen. Da strebte Essens SPD die Fusion mit dem benachbarten Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen an: Dieses sollte in der Intendanz von Claus Leininger die führende Rolle übernehmen. Das ist aber alles lange her.
Aaltos Oper, ein „architektonischer Traum“ (Bundestagspräsident Norbert Lammert) aus Blau und Weiß sowie edlen Hölzern im Innern, versteht sich heute als „Gesamtkunstwerk“ und als „Botschafterin der Musik“, so Autor Mämpel in seiner Publikation. Er lässt Zeitzeugen sprechen, hält sich in den Kommentaren jedoch zurück, was die anhaltende Fehleinschätzung im Vorfeld der Baugeschichte anbelangt. Und er kommt auf die prägenden Intendanten und Musiker zu sprechen: von Manfred Schnabel als Chef der ersten Jahre bis Wolf-Dieter Hauschild, von GMD Heinz Wallberg bis zu Stefan Soltesz in der Doppelfunktion Intendant und „General“, der in dieser Saison nach 16 überragenden Jahren ausschied. Bei den Ballettdirektoren werden Boris Pilato, Heidrun Schwaarz, Martin Puttke und der aktuelle Leiter Ben van Cauwenbergh porträtiert.
Mit viel Sachverstand und in insgesamt freundlichem Tonfall lässt Mämpel die spektakulären Erfolge Revue passieren: die Dietrich-Hilsdorf-Inszenierungen (Verdi- und Bizet-Opern), Wagners Ring (zweimal), Tristan und Isolde, die Richard-Strauss-Pflege. Schwach: Bei der Dokumenta-
tion der Spielzeiten werden keine Regie- oder Leitungsteams genannt. Bei allen Aufführungsfotos fehlen Hinweise auf Sänger. Ebenfalls kein Idealfall: das Layout, das man sich moderner, pfiffiger vorstellen könnte.
Im Interview versprechen Hein Mulders, der niederländische Soltesz-Nachfolger, und sein tschechischer Orchesterpartner Tomas Netopil, die Arbeit im Theater und in der benachbarten Philharmonie auf dem erreichten „hohen Niveau verantwortungsbewusst fortzusetzen“ und „noch enger abzusprechen“.
Jörg Loskill