Hofacker, Ernst

Von Edison bis Elvis

Wie die Popmusik erfunden wurde

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Reclam, Stuttgart 2012
erschienen in: das Orchester 07-08/2012 , Seite 70

Oh nein, noch ein Buch über Popmusik! So oder so ähnlich mag manch einer ausrufen angesichts dieser neuen Veröffentlichung auf dem Buchmarkt. Doch er wird positiv überrascht sein: Ernst Hofacker bietet einen erfrischenden Einblick in die technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenhänge des Pop. Der Autor sieht die Geschichte des Pop als vielschichtigen „Prozess, angesiedelt zwischen Musik, Technik und Business, der sich vom Ende des 19. Jahrhunderts an zwischen Amerika und der alten Welt entwickelte“. Folgerichtig beleuchtet Musikjournalist Hofacker nicht nur musikalische Entwicklungen von der Klassik über Jazz und Rock bis in die Unterhaltungsmusik, sondern auch technische Erfindungen von der Schallplatte bis zur MP4 sowie Geschäftsmodelle oder rechtliche Entwicklungen. In seiner Einführung schreibt er: „Immer wieder gaben Musiker Anstöße für neue Technologien, und gleichzeitig stellten sie sich den Herausforderungen, die ihnen die Technik aufgab. Am Ende machten sie die Technik gar selbst zum Instrumentarium. Das eine ist ohne das andere nicht denkbar. So gesehen ist die Geschichte der Popmusik auch eine Geschichte der Erfindungen sowie eine Geschichte vom Handel mit Musik und Technik.“
Zur Entdeckung der Geschichte entführt der Autor den Leser auf eine Zeitreise. Auf dieser fiebert man mit, wie Thomas Alva Edison als erster Mensch ein Gerät entwickelte, das zuvor aufgezeichnete Geräusche wiedergeben konnte – den Phonographen; oder man begibt sich mit George Beauchamp auf die Suche nach einer elektrisch verstärkten Gitarre.
Dreizehn Kapitel mit kreativen und originellen Titeln wie „Edison ist schuld. Und Elvis lebt“ oder „Schach dem weißen Mann“ laden ein, in die Welt der Erfindungen, des Rock’n’Roll und der Jamsessions abzutauchen. Dabei machen die Geschichten um Louis Armstrong oder Eminem Lust auf mehr: Mancher Leser wird sich, angeregt von Hofackers farbenfroh geschilderten Passagen, näher mit der ein oder anderen Persönlichkeit
befassen wollen. Die Freude am Lesen resultiert vor allem aus dem mitreißenden und fesselnden Schreibstil des Musikjournalisten. Seine Sprache ist dabei klar und verständlich.
Insgesamt ein Kaleidoskop an Anekdoten zur Entstehung und Weiterentwicklung des Pop. Die zahlreich recherchierten Geschichten und Zitate finden ihren Höhepunkt im letzten Kapitel „Facebook rocks – das neue Jahrhundert“, in dem Hofacker einen der Gründerväter des Britpop, Ray Davies, zitiert, der 1998 zuversichtlich meinte, dass es auch in Zukunft Musiker geben werde, die durch ihre Kunst und ihre Persönlichkeit Menschenmassen faszinieren. „Es wird neue Melodien geben, die von den Menschen unter der Dusche, auf der Straße oder in vollbesetzten Fußballstadien gesungen werden.“ Und zwar deshalb, so meint Hofacker, weil die Menschen auch im Zeitalter von iTunes und Facebook gerne Musik machen, ob eigenhändig oder mit kinderleicht zu bedienender Software in den heimischen Wänden. „Hausmusik 2.0, sozusagen.“
Patricia Arnemann