Heinze, Robert

Vom Theaterorchester zum internationalen Klangkörper

Zum 75-jährigen Jubiläum der Südwestdeutschen Philharmonie

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2007
erschienen in: das Orchester 05/2008 , Seite 54

Die Geschichte der Südwestdeutschen Philharmonie ist vor allem in den ersten Jahrzehnten die Geschichte eines Überlebenskampfes. Lange war die Existenz des Orchesters nicht gesichert, immer wieder musste sich das Ensemble neu positionieren. Auch an den Namensänderungen kann man die vielen Neuanfänge ablesen. „Theater- und Konzertorchester Konstanz“ hieß es bei seiner Gründung 1932, „Grenzlandorchester“ während des Zweiten Weltkriegs; später „Städtisches Orchester Konstanz“, „Bodensee-Symphonie-Orchester“ und schließlich „Südwestdeutsche Philharmonie“. Anlässlich des 75-jährigen Bestehens hat nun der Konstanzer Historiker Robert Heinze die Geschichte des Orchesters nachgezeichnet. In vier chronologisch aufgebauten, reich illustrierten Kapiteln gibt der Autor einen lebendigen und gut recherchierten Einblick in die Entwicklung des Orchesters; ein Nachwort des inzwischen von der Internationalen Bachakademie Stuttgart beschäftigten Intendanten Christian Lorenz richtet den Fokus auf Gegenwart und Zukunft.
„Ein Anfang auf wackeligen Beinen“ schreibt Heinze über die ersten Schritte. Auch später musste das gegen viele Widerstände gegründete Orchester immer wieder seine Existenz legitimieren. Spannend ist das Kapitel über die Zeit unter den Nationalsozialisten, die das Ensemble gerade wegen seiner grenznahen Lage zur Schweiz als kulturelles Aushängeschild des Deutschen Reichs aufwerten wollten. Nach dem Krieg konnte unter dem Dirigenten Richard Treiber erstmals eine kontinuierliche musikalische Arbeit geleistet werden, die das Niveau des Ensembles verbesserte („Das Ende der Improvisationen“). Neue Betätigungsfelder waren sommerliche Musikfestivals in Konstanz und der Schweiz – auch das örtliche Theater und die Gesangsvereine schätzten die Zusammenarbeit mit dem Orchester. Erst in den 70er Jahren schlug sich unter dem ungarischen Dirigenten Tamás Sulyok die sich weiter verbessernde musikalische Qualität auch in einer angemesseneren Bezahlung der Mitglieder nieder, ehe sich das Ensemble unter Thomas Koncz und dem aktuellen Chefdirigenten Vassilis Christopoulos zu einem modernen, 60-köpfigen Sinfonieorchester mit großer Reisetätigkeit und einem breiten Konzertangebot wandelte, das mit dem Educationprogramm „eduART“ auch das ganz junge Publikum im Blick hat.
Die künstlerische Arbeit des Orchesters wird in der Abhandlung leider kaum einer näheren Betrachtung unterzogen; wichtige Themen wie die Problematik eines fehlenden, angemessenen Konzertsaals werden nur gestreift. Manche Details wie die genaue Schilderung der finanziellen Krise um den Geschäftsführer Werner Walschburger in den 90er Jahren scheinen hingegen verzichtbar. Aber auch ohne diese Informationen gibt das Buch einen klaren Eindruck vom Leben eines Sinfonieorchesters, das in den 75 Jahren seines Bestehens immer wieder über den Kampf zum Spiel gefunden hat.
Georg Rudiger