Pfitzner, Hans
Vom Früh- zum Spätwerk
Auch wenn es eigentlich keiner Erörterungen mehr darüber bedürfte, dass künstlerisches Genie nicht unbedingt in Zusammenhang mit charakterlicher Integrität und politischer Korrektheit stehen muss, hat es Hans Pfitzner immer noch schwer, als Komponist nicht nur anerkannt, sondern auch aufgeführt zu werden. Sein galliger Konservatismus, seine giftigen Polemiken gegen die musikalische Moderne und nicht zuletzt seine bis zum Schluss stramm deutschnationale politische Gesinnung stehen der Rezeption seiner Musik bis heute im Wege. Oder ist es vielleicht auch seine Musik selbst, die es dem Hörer wirklich nicht immer leicht macht und kaum je als eingängig beschrieben werden kann?
Jedenfalls ist das Erscheinen der vorliegenden CD mit Kammermusik des Komponisten durchaus zu begrüßen. Sie wurde als Jahresgabe der Hans Pfitzner-Gesellschaft veröffentlicht und präsentiert, dem Titel gemäß, Werke aus drei verschiedenen Schaffensphasen: die frühe Cellosonate op. 1, die Pfitzner 1890 zum Abschluss seines Studiums komponierte; die 1918 in Straßburg vollendete Violinsonate; und die im Zweiten Weltkrieg entstandenen späten Sechs Studien für Klavier.
Alle diese Werke zeigen, dass man Pfitzner mit dem Etikett konservativer Spätromantiker nicht so einfach beikommen kann. Selbstverständlich ist in den beiden Streichersonaten Brahms als Inspirationspunkt erkennbar, doch schon in der Cellosonate herrscht ein querständiger, widerborstiger, von skurrilem Humor durchzogener Tonfall vor. In der Violinsonate trägt bei aller Traditionalität der Formgestaltung Pfitzners Inspiration die Musik in immer neue, kaum je vorhersehbare melodische und harmonische Gefilde. Und auch wenn die späten Klavierstudien den katastrophalen Zeitumständen auf den ersten Blick eine heile, längst vergangene Welt entgegenzusetzen scheinen, finden sich jedoch auch in diesen Charakterstücken immer wieder Formulierungen, wie man sie einem Komponisten, der sich selbst wohl als einer der, wenn nicht den letzten Vertreter der romantischen Musiktradition ansah, wohl nicht zutrauen würde; man höre etwa die dritte Studie mit der Überschrift Gemächlich!
Es ist den Interpreten der CD, die, wie ihre Biografie verrät, keine Neulinge auf dem Gebiet der Pfitznerschen Musik sind, sehr zu danken, dass sie sich den bis auf die Cellosonate selten aufgeführten Werken gewidmet haben, und dies auf durchweg hohem Niveau. Der Geigerin Heidrun Sandmann gelingt es, die bei scheinbar ruhiger Grundhaltung doch stetig wechselnden Stimmungen der Violinsonate unter einen großen Bogen zu spannen, und auch Reinhold Johannes Buhl weiß im Solopart der Cellosonate voll und ganz zu überzeugen, wenn auch die Balance im dritten Satz leicht zu Ungunsten des Cellos ausfällt, das gelegentlich kaum zu hören ist. Ulrich Urban erweist sich in beiden Werken als zuverlässiger Klavierpartner, und er interpretiert die Sechs Studien mit großer Einfühlungsgabe, die dem oft spröden Klaviersatz ein Höchstmaß an Poesie entlockt.
Thomas Schulz