Ferenc Farkas

Orchestral Music, Volume Five

Gábor Farkas (Klavier), MÁV Symphony Orchestra, Ltg. Gábor Takács-Nagy

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Toccata Classics
erschienen in: das Orchester 04/2018 , Seite 67

Nun also sinfonische Musik von Ferenc Farkas: Sie ist eher die Ausnahme in seinem umfangreichen Schaffen, doch auch diese sechs Werke aus den Jahren 1947 bis 1974 spiegeln – wie zuvor die „orchestralen Kleinformate“ – jene vielfältigen Einflüsse, Entwicklungen und Wirkungen wider, die der Komponist seit seinem Studium bei Leo Weiner und in der Meisterklasse von Ottorino Respighi erhalten, vollzogen und hinterlassen hat.
Sein Leben war beispiellos und die musikalische Karriere einzigartig: Das erste Stück schrieb er als Fünfjähriger, und noch an seinem Todestag, am 10. Oktober 2000, war der 95-jährige mit der Vertonung eines Gedichts von García Lorca befasst. Und so vielseitig, wie seine Tätigkeiten als Chormeister, Repetitor, Filmkomponist, Wissenschaftler und Jurymitglied bei internationalen Wett­bewerben waren, sind auch die 1000 Werke, die er geschaffen hat.
Allem Neuen zugewandt, frühklassischen Divertimentogeist ebenso reflektierend wie neobarocke Spielmusik oder Zwölftontechnik, führte Farkas seine Schüler auf Wege der Avantgarde, die er selbst nie beschritt, und verhalf ihnen und der neuen Musik Ungarns in den 1970/80er Jahren zu internationaler Reputation. Ihm hingegen genügte der kreative Umgang mit Formen und Stilen, Genres und Gattungen und Zitaten aus den unterschiedlichsten Epochen der Musikgeschichte, und er „erinnerte dabei an die Meister der niederländischen Schule im 15. Jahrhundert“ (György Kroó). Auch in seiner Sinfonik vermeidet Farkas trotz aller Intensität des Ausdrucks und aller Komplexität der Struktur emotionalen Überschwang und monumentale Formen; er favorisiert „klassisches Maߓ anstelle jeglicher Exzentrik. Die Sinfonische Ouvertüre und die Elegia (1952) stehen im Zeichen von Nachkriegszeit und Aufbruch: kraftvoller Elan und Optimismus einerseits, Trauer ohne Tragik andererseits; beide Male der Hang zu einer eingängigen Tonsprache und die Nähe zur ungarischen Volksmusik, beide Male auch deutliche Bezüge zu den anderen Werken dieser CD. Das spielerisch-motorische Concertino für Klavier und Orchester, das Farkas 1947 für sich selbst schrieb, erhält durch die Lyrik des Andante und das rhythmisch betonte Finale ungarischen Geist. Und die lebensfroh-bunten Tänze aus Mátra (1968) – Orchestermusik aus der Oper Vidróczki – sind völlig von Folklore geprägt. Biografische Anlässe und patriotisches Gedenken bestimmen dann die beiden „Trauermusiken“: Die Instrumentierung (1974) von Franz Liszts Funérailles (zum Tod Chopins) war für einen Film geplant, wurde 1986 als Ballett aufgeführt und erklang erst 1998 in dieser grandiosen Orchesterversion. Das Meisterwerk Planctus et consolationes schrieb Farkas 1965 zur Erinnerung an Pál Fejös, den Freund aus Studientagen in Rom: In acht kurzen Teilen wechseln Trauer und Trost, Schmerz und Aufbegehren, bis am Ende nur noch Resignation übrig bleibt. Mit dieser neuen Folge präsentiert das Label erneut bewährte Farkas-Interpreten und ein exzellentes Klangerlebnis – auf die Fortsetzung ist man gespannt…
Eberhard Kneipel