Volker Hemken

Werke von Ulrich Leyendecker, Pierre Boulez, Isang Yun, Matthias Pintscher, Franco Donatoni, Bernfried Pröve, Heiner Goebbels

Rubrik: CDs
Verlag/Label: edition zeitklang 13011
erschienen in: das Orchester 09/2004 , Seite 87

Die Bassklarinette brauchte nahezu anderthalb Jahrhunderte seit ihrem ersten Einsatz im Orchester in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, um sich als vollwertiges Solo-Instrument zu etablieren. Der tschechische Klarinettist Joseph Horák und der Holländer Harry Sparnaay waren als wegweisende Interpreten an der weiteren „Karriere“ des Instruments beteiligt.
Zahlreiche Komponisten ließen sich durch diesen klangfarblich extrem variantenreichen Klarinettentyp mit einem vier Oktaven umfassenden Tonumfang zu einer Reihe eindrucksvoller Solowerke inspirieren, und in den vergangenen zwanzig Jahren kann geradezu von einer Blütezeit der Solo- und Ensembleliteratur für Bassklarinette gesprochen werden. Eine repräsentative Auswahl aus dieser Zeitspanne hat jetzt der Bassklarinettist des Leipziger Gewandhausorchesters Volker Hemken eingespielt, der sich dabei als exzellenter Interpret erweist.
In Ulrich Leyendeckers Zwei Etüden mit eher ideellen als hörbaren Carmen- und Chopin-Anspielungen wechselt er wie selbstverständlich zwischen normaler Tongebung und neuen Spieltechniken. Die hochvirtuosen Partien in der autorisierten Bassklarinettenfassung von Pierre Boulez’ Schattenstück Dialogue de l’ombre double, in dem der Interpret durch ein Zuspielband mit sich selbst dialogisiert, werden makellos und frappierend realisiert. Auf diesen aktionsreichen Dialog folgt mit dem aus der Ruhe des Einzeltons sich entwickelnden und immer wieder dahin zurückkehrenden eindringlich gespielten Monolog von Isang Yun aus dem Jahr 1983 das früheste Solostück dieser Aufnahme. Hierin zeigt sich auch besonders Hemkens außerordentliche Tonkultur.
In Matthias Pintschers Sieben Bagatellen mit Schlussapotheose der Glasharmonika sind atemberaubende Stakkatokaskaden und extrem geräuschhafte Klänge zu
hören. Im Gegensatz dazu beschränkt sich der Italiener Franco Donatoni in Soft fast ganz auf die traditionelle Spieltechnik und arbeitet kompositorisch überwiegend mit Transformationen von Tongruppen. Explosive Stakkati und effektvolle Slap-Tongue-Klänge sowie die Einbindung von Atemgeräuschen bestimmen Air II von Bernfried Pröve, der auch der äußerst verdienstvolle Produzent der edition zeitklang ist.
Abgerundet wird der Querschnitt mit dem Intermezzo In the Basement aus Heiner Goebbels Musiktheater Schwarz auf Weiß, in dem die Idee des Freien im improvisatorischen Bassklarinetten-Solo mit der des Gebundenen in Form eines vom Zuspielband kommenden geräuschhaften Ostinatos kontrastiert.
Volker Hemken reiht sich mit diesem Interpretenporträt mühelos in die erste Reihe der großen Bassklarinettisten ein. Man darf auf weitere Aufnahmen gespannt sein.
 
Heribert Haase

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