Voices of the Rainforest

Werke von Elisenda Fábregas, Libby Larsen, Chen Yi & Kate Waring

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Profil/Edition Günter Hänssler PH11039
erschienen in: das Orchester 01/2012 , Seite 71

Es gibt hervorragende Musik, die trotzdem ohne Probleme in bewährten Schubladen kategorisiert werden kann. Die Musik dieser CD aber passt nirgendwo wirklich hinein, denn immer wieder trifft der Hörer auf Neues in vitaler Kombination mit Altbewährtem, meint einen deutlichen Einfluss von irgendwas hier und dort festmachen zu können, hört zwischen den Zeilen ethnologisch Interessantes aus Folklore und Klassik – und hat tatsächlich Beispiele für die große Vielfalt aktueller Neuer Musik vor sich. Das Booklet meint sogar, den Hörern eine Ermutigung mitgeben zu müssen: „Aber keine Sorge: alle vier Komponistinnen […] besitzen starke europäische/westliche Wurzeln.“ Das alles trifft tatsächlich irgendwie zu, doch knapper formuliert könnte es auch heißen: Interessante CD voller frischer musikalischer Ideen, sehr gut eingespielt, absolut hörenswert.
Das Meininger-Trio (Christiane Meininger, Flöte, Françoise Groben, Violoncello, Rainer Gepp, Klavier) hat sich für diese CD Musik recht unterschiedlicher Komponistinnen herausgesucht und sie makellos eingespielt. Zu Beginn geht es mit Elisenda Fábregas (Voices of the Rainforest) in den tropischen Regenwald. Vogelrufe, Froschgequake, Gesang, Wind und abbrechende Äste führt das Booklet an. Anders als in so genannter Programmmusik wird hier jedoch nicht jedes Geräusch mit musikalischen Mitteln nachgemalt. Nur der Vogel zwitschert keck in der Flöte. Stattdessen werden Stimmungen gezeichnet, aus denen sich musikalische Spannungsverläufe entwickeln. Das Zuhören gerät zur puren, unterhaltsamen Freude, auch ohne Kenntnisse von tropischer Flora und Fauna.
Kate Waring hat sich in ihrer Komposition Alapana (so heißt die Anfangsimprovisation der klassischen indischen Musik, die den Charakter des folgenden Ragas vorstellt) an indischer klassischer Musik orientiert. Ein schönes Stück, das den Pianisten die Saiten seines Flügels direkt anspielen lässt – das erinnert manchmal an Glockentöne. Da das Werk aber europäische Tonstufen hat, die die Oktave also in viel weniger Schritte unterteilt als indische Musik es tut, klingt es trotzdem nur bedingt indisch. Macht nichts, schön ist es allemal.
Die Slow structures beginnen ziemlich flott: „Mad wind’s night work“ heißt der erste Satz des Werks aus der Feder von Libby Larsen. Viel Eis und Schnee aus dem Norden der Vereinigten Staaten sind hier eingeflossen, ein Blizzard tobt. Die nächsten Sätze werden ruhiger, Kälte und weite Schneelandschaften sind vorstellbar. Am Ende („Snow-melting time“) werden die Phrasen dann länger. Das Meininger-Trio genießt jedes Eiskristall.
Chen Yi ist mit Night thoughts auf dieser CD vertreten und bringt chinesisches Flair mit. Expressive Musik mit ein paar Vierteltönen in Flöte und Cello, inspiriert von einem sehr bekannten chinesischen Gedicht. Ein wenig Konzentration erhöht die Hörfreude hier deutlich, ein gut gewähltes Endstück für eine durch und durch gelungene CD.
Das Meininger-Trio gefällt in jedem Werk mit tollem homogenen Ensemblespiel und ausgeschlafener Technik.
Heike Eickhoff

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