Khadem-Missagh, Vahid

Virtuosität in der Musik und Magie

Niccolò Paganini und Johann Nepomuk Hofzinser

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Hollitzer, Wien 2016
erschienen in: das Orchester 05/2017 , Seite 62

n dem Buch geht Vahid Khadem-Missagh der Frage nach, wie sich musikalische Virtuosität einerseits und das Geheimnisvolle, Unheimliche, Magische andererseits überschneiden können. Selbst als Geiger und Zauberkünstler aktiv, erörtert Khadem-Missagh dies am Beispiel zweier Persönlichkeiten: Niccolò Paganinis, der sich zeitlebens als „Teufelsgeiger“ inszenierte, sowie des Wiener Zauberkünstlers Johann Nepomuk Hofzinser. Letzterer gilt als der bedeutendste Kartenleger des 19. Jahrhunderts und hatte zugleich eine musikalische Ausbildung genossen. Khadem-Missagh analysiert erstmals umfassend die Beziehung Hofzinsers zur Musik.
Als Paganini 1828 im Rahmen seiner ersten Auslandsreise auch nach Wien kam, saß Hofzinser im Konzert und bezeichnete sein Spiel als „übernatürlich und rein göttlich“. Er bescheinigte ihm „höchst möglichen Ausdruck des Gefühls“ und eine „ungeheure Wirkung auf das Gemüth“. Beide intendierten also ganz gezielt eine „Faszination auf ihr Publikum“ auszuüben, doch wie?
Nach Erörterungen zu den Begriffen Virtuosität und Virtuosentum, Magie und Zauberkunst, biografischen Skizzen zu Paganini und Hofzinser sowie einem Überblick ihrer Begegnungen sucht Khadem-Missagh nach „Verbindungen und Übereinstimmungen in Musik und Magie“. Er stöbert in „Handwerk und Technik“, zeigt anhand von Fotos Parallelen in der Geigen-Grifftechnik und dem Kartenlegen auf, integriert den Aspekt des beharrlichen Übens, um zum Virtuosentum zu gelangen, und kommt auf „sichtbare und unsichtbare Techniken“ zu sprechen.
Hier wird es aus rein musikalischer Sicht richtig spannend. Bei den Streichern zählt Khadem-Missagh das Spiccato, Staccato oder das Legato zu den sichtbaren Techniken, die die rechte Bogenhand betreffen; bei der linken Hand hingegen Doppelgriffe, rasche Tonfolgen, Pizzicati oder Flageolett-Töne. Zu den unsichtbaren Techniken rechnet Khadem-Missagh indessen Saiten- und Bogenwechsel der rechten Hand sowie Lagenwechsel der linken Hand. Mit Präzision, Tempo, Rhythmus, überraschenden Wendungen und Effekten, auch Irritationen lässt sich das Publikum gewissermaßen täuschen – lassen sich jedenfalls bestimmte Wirkungen erzielen.
Doch wie klingt eigentlich Virtuosität, und inwieweit haben sich Ideale über die Epochen verändert? Leider werden diese Fragen nicht gestellt, obwohl sie die Phrasierung und Artikulation berühren – auch den Einsatz des Vibratos. Wie schon zuvor Leopold Mozart hat auch Joseph Joachim, Weggefährte von Johannes Brahms, für einen wohldosierten Einsatz des Vibratos plädiert. Fast schon als Antipode agierte hier Fritz Kreisler: Mit sattem, breitem, vibratoreichem Duktus avancierte er zum romantisierenden Virtuosen schlechthin.
Wo aber steht Paganini? Welches Klangideal verfolgte er in seinem Spiel? Das wären spannende Fragen. Als ganz eigener, anderer Blick auf das Musizieren ist dieses Buch fraglos lesenswert.
Marco Frei

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