Walckiers, Eugéne/Anton Bernhard Fürstenau/Ernesto Köhler

Virtuose Flötenmusik der Romantik

Großes Quartett fis-Moll op. 46/Quartett F-Dur op. 88/Großes Quartett D-Dur op.92

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Animato ACD 6076
erschienen in: das Orchester 03/2005 , Seite 86

Das Albireo Querflötenquartett wurde 1980 von Shigeko Fukui in Kyoto (Japan) gegründet. Aus Anlass von „Japan in Deutschland 2000“ gastierte Albireo in acht deutschen Städten. In den Jahren 2002 und 2003 gab es Auftritte im japanischen Fernsehen. Bis heute haben Shigeko Fukui, Ayumi Sunazaki , Aya Yamamoto und Junko Morita drei CDs produziert.
Die in den Bauer Studios Ludwigsburg im November 2003 entstandene Aufnahme überrascht mit unbekannten Werken und regelrechten Entdeckungen. Die Klangqualität ist weiträumig, transparent und ermöglicht fesselnde dynamische Kontraste. Dies fällt gleich zu Beginn bei Eugène Walckiers Großem Konzert Quartett in fis-Moll op. 46 auf, wo die höchste Schule französischer Kunst hervorblitzt. Rasche Tempoänderungen, einfallsreiche Klangfarben und ein ebenso eleganter, bezaubernder und gelehrter Stil stechen hier hervor. Das stets einfühlsam aufeinander abgestimmte Albireo Quartett vermeidet dabei manieristische Übertreibungen. Durch mehrfache überraschende Modulation entsteht allerdings oftmals eine dramatische Änderung der Spannung. Chromatische Verzierungen und kontrapunktische Verästelungen ergänzen sich gegenseitig.
Der 1793 in Avesnes im französischen Flandern geborene Eugène Walckiers studierte Komposition bei Reicha, der ihn aufgrund seines Talents und Fleißes überaus schätzte. In seiner Virtuosität kann man den Einfluss von Tulous nicht übersehen. Walckiers starb 1886 in Paris.
Sensibel und stilistisch ausgewogen interpretieren die vier Flötistinnen außerdem Anton Bernhard Fürstenaus Quartett in F-Dur op. 88. Fürstenau wurde 1792 in Münster geboren. In Kopenhagen schloss er Freundschaft mit Kuhlau, in Prag lernte er 1815 Carl Maria von Weber kennen und wurde 1819 erster Flötist im Hoforchester Dresden. Fürstenau war zweifellos einer der bedeutendsten Flötenspieler seiner Zeit. Eine enge thematische und harmonische Beziehung zu Weber fällt bei diesem Werk besonders auf. Wirkungsvolle Kantilenen wechseln sich mit ausgelassener Spielfreude und reicher Figuration ab. Auffallend sind im Quartett op. 88 die Variationen über Haydns Kaiserquartett, welches später zur Österreichischen und zur deutschen Nationalhymne geworden ist. Differenzierte Satztechniken, polyfone Durchsichtigkeit und konträre emotionelle Sequenzen wechseln sich in harmonisch bewegender Weise ab. Das Prinzip der Cantus-firmus-Variation behauptet sich deutlich. Punktierte Begleitrhythmen werden kontrapunktisch-motivisch sehr lebendig präsentiert.
Den Abschluss bildet Ernesto Köhlers Großes Quartett D-Dur op. 92. Dieses gelungene Werk steht ganz in der vielfältigen Tradition von Kuhlau, Soussmann, Gabrielski und Walckiers. Hochromantische Harmonik, facettenreiche thematische Einfälle und hohe Virtuosität münden in einen bunten Klangkosmos. Ernesto Köhler wurde am 4. Dezember 1849 in Modena (Italien) geboren, wirkte zunächst am Karlstheater in Wien, dann als erster Flötist an der Kaiserlichen Oper in Petersburg und war der ranghöchste Flötist des russischen Zarenreichs.
Auf der beim Label Animato veröffentlichten CD gelingt es dem Albireo Querflötenquartett vorzüglich, harmonische Zusammenhänge zwischen allen drei Werken offen zu legen. Bemerkenswert ist in jedem Fall der immer breiter fließende melodische Strom, dessen elektrisierende Wirkungskraft den Zuhörer beeindruckt. Gefühlvolles und assoziationsträchtiges Verweilen korrespondiert insbesondere bei Köhlers Quartett mit verblüffenden und gänzlich unkonventionellen Einfällen, die auch einer eigenartigen Dynamik genügend Raum geben. Thematische Prozesse ergeben dabei oftmals einen unverwechselbaren Ton.
Alexander Walther