Violon2ello

Werke von Bernhard Romberg, Friedrich August Kummer, Johann Sebastian Bach und anderen

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Solo Musica
erschienen in: das Orchester 04/2018 , Seite 69

Muss Musik Spaß machen? Möglicherweise würden selbst Vater und Sohn Ginzel die Frage in dieser zugespitzten Form nicht mit Ja beantworten. Ihre Duo-CD scheint jedoch durchdrungen vom Spaß-Diktat. Darin liegt gewiss ihr Reiz, zugleich aber auch ihr Problem.
Doch der Reihe nach: Reiner Ginzel gehört zu den renommierten Cellopädagogen der deutschen Hochschullandschaft. Seit 1986 bekleidet er eine Professur an der Musikhochschule München. Er ist Mitglied des Deutschen Streichtrios und regelmäßig Juror bei internationalen Wettbewerben. Sein 1988 geborener Sohn Hans-Henning ist gleichermaßen auf cellistischem wie kompositorischem Terrain unterwegs: Seine Werke wurden auf renommierten Festivals für Neue Musik aufgeführt, er erhielt Preise und Preisnominierungen, unlängst auch für die Musik zu einem ZDF-Dokumentarfilm. Hans-Henning Ginzels Celloaktivitäten umfassen seine Mitwirkung im Arcis Celloquartett, im Ensemble Breakout sowie solistische Auftritte.
Für ihre „Duell“-CD haben Vater und Sohn einige charmante Preziosen der Duo-Literatur des 19. Jahrhunderts ausgewählt: eine Sonate von Romberg, ein Duo von Sebastian Lee, eines der bekanntesten Offenbach-Duos sowie den unvergleichlichen „Bolero“ des Dresdner Cellisten Friedrich August Kummer. Bedauerlicherweise hat man sich dagegen entschieden, Kummers komplettes Duo op. 103,4 einzuspielen: Dem finalen „Bolero“ gehen in diesem Werk ein prächtiges Eingangs-Allegro (dessen Hauptthema das Finale von Beetho­vens Fünfter paraphrasiert) sowie eine doppelgriffselige „Hymne“ voraus. Zumindest meinem Geschmack hätte „mehr Kummer“ mehr Vergnügen bereitet als das Sammelsurium von Adaptionen berühmter Klassikhits, das weite Teile der CD bevölkert: Wir hören Bachs Air, einen Walzer von Chopin, Debussys Golliwogg’s cake walk, Elgars Salut d’amour, alles in Arrangements durch den Ginzel-Sohn, wobei dessen bearbeiterische Arbeit im Fall der Bach’schen Air schlicht im Weglassen der Mittelstimmen bestand.
In all diesen Werken präsentieren sich Vater und Sohn Ginzel als Vertreter einer Cello-Stilistik, die – bei allem Respekt – etwas altbacken herüberweht. Ohne Zweifel können beide Herren sehr gut Cello spielen. Die Dominanz von breitem Sound, Intensiv-Vibrato und forschen Bogen-Attacken verdrießt jedoch auf die Dauer, man dürstet bisweilen nach anderen Klängen und wird hierfür nur einmal entschädigt: in einer Variante des altenglischen Greensleeves, wo unter der Zielvorgabe einer Gamben-Imitation „richtig schön“ gespielt wird.
Den Garaus machen Ginzel & Ginzel dem geneigten Hörer indes mit ihrer Zugabe, einem pseudo-humoristischen „Haydn-Spaߓ, der vermutlich an Musik-Comedy à la Igudesman und Joo gemahnen soll, in seiner Steifheit jedoch echten Humor nur am Horizont erahnen lässt. Ein staksig geschriebener, von „En-passant-Wissen“ durchsetzter Booklet-Text tut ein übriges, um das Vergnügen an Violon2ello überschaubar zu halten.
Gerhard Anders