Schostakowitsch, Dmitri

Violinkonzerte No 1 & 2

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Orfeo C 687061 A
erschienen in: das Orchester 07-08/2007 , Seite 80

Im Schostakowitsch-Jahr beschäftigten sich Geiger verstärkt mit den Violinkonzerten des Komponisten. So legten beispielsweise Leila Josefowicz (Warner) und Biba Skride (Sony) ansprechende Einspielungen des ersten Violinkonzerts vor. Dennoch gebührt die Palme für die beste Interpretation der beiden Violinkonzerte Schostakowitschs der jungen Arabella Steinbacher.
Bei aller Virtuosität und Ausdruckskraft, die die Konzerte verlangen, darf auch der Orchesteranteil nicht unterschätzt werden. Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks ist unter der sehr engagierten Leitung Andris Nelsons’ weit mehr als nur ein Begleitensemble. Das populärere erste Konzert op. 77 sowie das zweite in cis-Moll verlangen nicht nur eine Interpretin mit gewaltigen technischen Reserven und großer Gestaltungskraft; hochkarätige Einspielungen wie die von Steinbacher/Nelsons bedürfen auch eines ungemein differenzierten Orchesterspiels. Da kann das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks seine instrumentalen Qualitäten ebenso wie seine Variabilität des Klangs ins beste Licht rücken. Unterstrichen wird dies auch von der Aufnahmetechnik, die nicht nur die große dynamische Spannweite der Konzerte, besonders des a-Moll-Konzerts, differenziert einfängt, sondern die Solovioline gemäß der Intentionen des Komponisten in den variablen Orchesterklang einbettet und so die Gewichtung zwischen Solistin und differenziertem Orchestersatz überzeugend nachzeichnet.
Arabella Steinbacher gelingt es, die tiefe Trauer, Verzweiflung, aber auch das dramatische Aufbegehren des ersten Konzerts dank der subtil-farbenreichen Auslotung des Soloparts auszuformen. Im Gegensatz zu manchen russischen Virtuosen wie Vadim Repin oder Maxim Vengerov, vor denen sich die junge Münchnerin technisch nicht verstecken muss, werden die grotesken ebenso wie die ironischen Momente, an denen in der Partitur kein Mangel herrscht, nicht ungebührlich in den Vordergrund gerückt. Immer behält die Geigerin den Überblick über das Ganze, und so gelingt in bester Übereinstimmung mit dem Dirigenten eine Interpretation aus einem Guss. Auf ebenso hohem Niveau spielt sie auch das cis-Moll-Konzert op. 129, ein reduzierteres Spätwerk, das zwar nicht mehr von der direkten Bedrohung der Person des Komponisten gezeichnet ist, das aber die tiefe Trauer eines Lebens unter ständiger Bedrückung in sich trägt und reflektiert. Die schier unglaubliche Reife Arabella Steinbachers, der es gelingt, mit vielen kleinen Nuancen der Gefahr der musikalischen Einförmigkeit des von Reduktion und Herbheit geprägten Konzerts zu entgehen, macht auch diese Interpretation zu einem Ereignis.
Walter Schneckenburger