Bruch, Max

Violinkonzerte 1 & 3

Rubrik: CDs
Verlag/Label: ebs records ebs 6143
erschienen in: das Orchester 10/2005 , Seite 83

Max Bruch selbst hielt sich für traditionell und sein drittes Violinkonzert in d-Moll für gelungener als das erste, das bekanntere, das in g-Moll, das jeder Geiger zumindest zuhause schon zu spielen versucht hat. Welches der beiden (dank Hilfestellung durch den damaligen Geigenpapst Joseph Joachim gleichermaßen geigerischen) Werke man nun bevorzugt – es bleibt sicherlich Geschmackssache. Etwas zugänglicher, noch linearer vielleicht ist das mehr als zwanzig Jahre ältere g-Moll-Konzert, anspruchsvoller in seiner Gesamtanlage das deutlich umfangreichere d-Moll-Konzert.
Tatsächlich lassen sich einige wenig organische Übergänge und schwerfällig komponierte Passagen beispielsweise in den Doppelgriffen des op. 58 nicht verkennen. Dass man dieses Werk – vom Konzertmeister-Kollegen Andreas Krecher seinerzeit als virtuoses, schlankes, kühles Kabinettstückchen präsentiert – durchaus noch einmal genauer betrachten und er-hören möchte, ermöglicht Torsten Janicke. Sein Lebenslauf liest sich wie die Liste der Oscar-Verleihung, gespickt mit Preisen und Auszeichnungen. Im Rheinischen begegnet man ihm des
Öfteren live, mit Sibelius etwa in Hagen, als Primarius des Gürzenich-Quartetts oder als Leiter des Gürzenich-Kammerorchesters. Nach gleichen Positionen in Leipzig und Essen ist der Dresdner Janicke seit nunmehr 14 Jahren Konzertmeister des Kölner Gürzenich-Orchesters.
Ein internationaler Vergleich drängt sich immer auf: Mag sein, dass eine solche Wiedergabe wie die vorliegende für den einen oder anderen Hörer der Eleganz, der zweihundertprozentigen Makellosigkeit entbehrt – eben dies macht aber das Persönliche, Charismatische der Einspielung aus. Janickes Geigenspiel, dem insbesondere hinsichtlich des musikalischen Temperaments die berühmte Dresdner Streicherschule anzumerken ist, reißt mit durch seine tonliche Intensität, seinen – dem Komponisten vermutlich sehr gemäßen – Mut zu differenzierter, leidenschaftlicher Klangfülle und Romantik. Selbst das immer und immer wieder dargebotene Konzert in g-Moll, das man durch und durch zu kennen meint, erfährt auf der neuen Super-Audio-CD von ebs Momente, die aufhorchen, mitatmen und genießen lassen.
So schön die Interpretation ist, so schade ist es, dass aufnahmetechnisch auch bei Begleitpassagen die Geige derartig dominant bleibt, dass so manche wertvolle Orchesterleistung zu wenig zur Geltung gelangt. Markus Stenz, noch neu am Kölner Pult, lässt sein Ensemble spielen, unterstützt die emotionale Energie des Solisten. Wie herrlich das Gürzenich aufblüht in den reinen Tuttistellen, wie rund und tonschön es formt – um dann zu häufig in einer untermalenden Funktion unterzugehen, sobald die Solovioline einsetzt.
Max Bruch – ein gebürtiger Kölner, ein „rheinischer“ (Musik-) Schüler, ein Wahl-Leipziger: seine Werke von einem alteingesessenen Kölner Orchester und seinem leipzig-erfahrenen Konzertmeister einspielen zu lassen, ist eine schöne, sinnstiftende Idee.
Carola Kessler