Molique, Bernhard
Violin Concertos No. 3 & 6
Nach der wunderbaren Aufnahme des Violinkonzerts von Ferdinand Ries 2009 widmet sich der Barockgeiger Anton Steck nun zwei neuen Entdeckungen aus dem 19. Jahrhundert: Violinkonzerten des in Nürnberg geborenen Komponisten und Geiger Bernhard Molique (1802-1869), dessen Name französisch-elsässische Wurzeln verrät. Er wirkte zunächst als Konzertmeister in München und Stuttgart und war ab 1849 ein in London gefeierter Musiker. In seiner Jugend stand er unter dem Einfluss Louis Spohrs, dessen Violinkonzerte ihm Vorbilder waren.
Die CD-Produktion entstand 2011 mit dem ausgezeichneten Münchner Ensemble Larpa festante unter Christoph Spering im Kölner Deutschlandfunk- Kammermusiksaal. Präsentiert werden die Konzerte Nr. 3 d-Moll op. 10 (1836) und Nr. 6 e-Moll op. 30 (1848) als Weltersteinspielungen. Moliques Konzerte entstanden mitten in der Romantik, stehen in der Nachfolge von Beethovens und in Nachbarschaft von Mendelssohns Gattungsbeiträgen. Ihre Molltonarten verraten einen Hang zur pathetischen Geste, die gleich in den zwei harschen Tutti-Eröffnungsschlägen des d-Moll- Konzerts angekündigt wird. Im vom Orchester vorgestellten Hauptthema finden sich Anklänge an Mozarts d-Moll-Klavierkonzert KV 466 (nachschlagende Synkopen-Begleitung), das die Romantiker liebten. Moliques Melodik ist ausdrucksvoll, mit chromatischen Durchgängen und charmanten Verzierungen gewürzt. Die Form ist klar und übersichtlich gestaltet, d. h. die Themen sind deutlich voneinander abgegrenzt.
Da sich der Komponist die Werke in die eigenen Hände schrieb, sind sie seinen Fähigkeiten minutiös angepasst und vertreten den Typ Virtuosenkonzert (ohne Solo-Kadenzen). Moliques Violinkonzert Nr. 3 führte auch Joseph Joachim im Repertoire. Die Orchesterbesetzung entspricht derjenigen Beethovens. Der Charakter des d-Moll-Konzerts ist etwas bühnenmäßiger, extrovertierter. Wirkungsvoll sind Pauken und Trompeten jedoch auch ins e-Moll-Konzert eingebunden, das gemäß der Tonart etwas elegischer ausfällt. Zudem kehrt es sich von der ausgeprägten Tutti-Solo- Gliederung des Konzerts Nr. 3 deutlich ab. So wird die Solo-Violine nach Mendelssohns Vorbild von Anfang an ins Geschehen einbezogen. Solist und Orchester sind sinfonisch eng miteinander verkettet. Unverkennbar sind die Anklänge an das berühmte e-Moll-Violinkonzert des Leipziger Kollegen, das auf Zeitgenossen epochal gewirkt haben muss. Man vergleiche nur die beiden Anfänge! Dennoch gelingt Molique ein sehr eigenständiges und originelles Werk.
Anton Steck interpretiert die Konzerte auf einer historischen Guadagnini- Geige (ca. 1780). Er artikuliert genau und mit dem nötigen technischen Rüstzeug. Vor allem trifft er die spezielle Stimmung und Rhetorik dieser Musik, etwa in den als Gesangsszenen gestalteten Mittelsätzen. In den Finali verbindet Steck die tänzerischen Taktarten (6/8) mit verspieltem Scherzando im d-Moll-Konzert und schwermütigen Einfärbungen im e-Moll-Konzert. Wieder gelang ihm eine willkommene Repertoire-Bereicherung.
Matthias Corvin