Sergei Prokofiev

Violin Concertos

Franziska Pietsch (Violine), Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Ltg. Cristian Macelaru

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Audite
erschienen in: das Orchester 03/2018 , Seite 68

Bisher profilierte sich die Geigerin Franziska Pietsch in ihren Aufnahmen für das Label Audite als eine klug gestaltende Kammermusikerin. Mit ihrem Klavierpartner Detlev Eisinger legte sie bereits drei CDs vor: die Violinsonaten von Grieg und Prokofjew sowie Werke von Karol Szymanowski und Franck. Ende 2017 hat Pietsch ihre Diskografie um zwei hochkarätige Einspielungen erweitert: Mit ihrer Streich­trio-Formation „Trio Lirico“ interpretiert sie Streichtrios und Regers Klavierquartett Nr. 2. Parallel dazu ist ihre erste Konzertaufnahme erschienen, um die es hier geht. Es sind die beiden Violinkonzerte von Sergej Prokofjew, aufgenommen mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin unter der Leitung des jungen rumänischen Dirigenten Cristian Macelaru, der 2012 sensationell für Pierre Boulez beim Chicago Symphony Orchestra „einsprang“. Das brachte ihn auch ans Pult der anderen bedeutenden amerikanischen Orchester.
Auch für diese Aufnahme ist Macelaru ein Glücksgriff, denn eine Interpretation der beiden Prokofjew-Violinkonzerte kann nur gelingen, wenn das Orchester zu Höchstform aufläuft. Es muss absolut auf Augenhöhe mit der Solistin gestalten, die eingebunden ist in ein Meer an Klangfarben und eine aufregende Vielfalt musikalischer Gestalten, die zu einem großen Ganzen integriert werden wollen. Und genau das geschieht hier, Orchester und Solistin finden in beglückender Art und Weise zusammen, das künstlerische Gesamtergebnis begeistert. Franziska Pietsch bringt einerseits ihre große Erfahrung als Kammermusikerin ein, agiert subtil und feinsinnig im Dialog. Und dann, wenn es Prokofjew verlangt, zieht sie souverän die solistische Trumpfkarte, etwa im Scherzo des ersten Konzerts mit seiner drängenden Motorik, den markanten Glissando-Effekten und fliegenden Läufen. Um danach umzuschalten, einzutauchen in die atmenden, weitgeschwungenen Kantilenen im folgenden dritten Satz (Moderato), die sie bis zur Neige auskostet (wie auch die im Andante assai des zweiten Konzerts!).
Wunderbare Kontrastwirkungen gibt es immer wieder zu bewundern in dieser Aufnahme, davon lebt Prokofjews Musik ganz entscheidend. Pietsch weiß instinktiv, wie sie „funktioniert“. Man hat das Gefühl, dass ihr diese Musik ganz besonders am Herzen liegt und dass ihre hoch expressive Darstellung auch etwas mit Lebenserfahrung und Reife zu tun hat.
Denn der Weg der aus der DDR stammenden und dort als „Jungstar“ aufgebauten Geigerin war alles andere als geradlinig und leicht. Nach der Flucht des Vaters 1984 in den Westen zerstoben auch die Karriereträume der ambitionierten und hochbegabten Geigerin. Zunächst. Allen Repressalien zum Trotz: Franziska Pietsch hielt durch, schaffte nach 1986 einen Neustart im Westen, geführt von Lehrern wie Ulf Hoelscher in Karlsruhe sowie Jens Ellermann und Dorothy DeLay in New York. Sie sammelte vielfältig Erfahrung als Kammermusikerin und als Konzertmeisterin im Orchester. Und jetzt ist sie da, als Solistin mit einem unbedingten Ausdruckswillen und einer Intensität des Ausdrucks, der man sich kaum entziehen kann.
Norbert Hornig