Weingartner, Felix / Franz Schubert

Violin Concerto / Symphony in E

Rubrik: CDs
Verlag/Label: cpo 999 424-2
erschienen in: das Orchester 03/2010 , Seite 70

Felix Weingartner gehört zu jener Phalanx komponierender Dirigenten, die bis heute keine unbeträchtliche Größe im Musikleben spielt, denkt man nur an Namen wie André Previn, Michael Gielen, Lorin Maazel oder Johannes Kalitzke. Der 1863 geborene Weingartner hat viele Gattungen kompositorisch bedient und auch Transkriptionen hergestellt. Wilhelm Furtwängler oder Hermann Scherchen haben seine Transkription von Beethovens Großer Fuge op. 133 aufgeführt.
Franz Schuberts streckenweise recht weit gediehenes Partiturfragment einer E-Dur-Sinfonie D 729 von 1821 wurde von Weingartner 1934 vervollständigt und in London uraufgeführt. Zu Gehör kommt eine Art Parallelaktion zur Großen C-Dur-Sinfonie mit ähnlichen Repetitiv-Varianten und klarer Korrespondenz von Bläser- und Streichergruppen. Nur dass hier alles leichtgewichtiger und beschwingter wirkt.
Weingartner, ein Vertreter luzider, auf konstruktive Momente setzender Dirigierhaltung, der viel für die Entschlackung hybrider Ausdrucksformen getan hat, ist zweifellos ein geeigneter Rekonstrukteur des Werks, mit dessen Vollendung schon Felix Mendelssohn Bartholdy und Johannes Brahms geliebäugelt hatten.
Dennoch bleibt die hörbar gemachte E-Dur-Sinfonie zweifellos ein Produkt Felix Weingartners, wie spätestens das Andante zeigt: Die melancholische Lineatur bekommt Züge sentimentaler, salon-musikalischer Besinnlichkeit: etwas zu glatt, zu geschmeidig und smart. Auch die kurzen Dissonanzdurchgänge lassen Spezifik vermissen; dennoch verschafft das Ganze einen schönen Einblick in Schuberts Komponierabsicht.
Gut zwanzig Jahre vor der Schubert-Rekonstruktion entstand Felix Weingartners Violinkonzert op. 52 in G-Dur. Das am 28. Oktober 1912 im Wiener Musikverein uraufgeführte Werk ist ein Produkt apollinischer Klarheit und konzertanter Übersichtlichkeit. Ein beruhigtes Fließen ist die Grundströmung des gut halbstündigen Werks, das den Moment harmonischer Voraussehbarkeit im Verhältnis Solo – Tutti ausspielt. Steigerungen im stabilen tonalen Rahmen bleiben ohne größere Extreme, Beschaulichkeit steigert sich im zweiten Satz bis zu heimeligen Stimmungen, woran einige harmonische Ausweichungen nichts ändern. Gleichwohl machen die drei Sätze einen weltläufigen Eindruck. Das ist die helle, sichere und geordnete Seite deutscher Romantik.
Der Solist ist der höchst souveräne Laurent Albrecht Breuninger, dessen glasklare, intonationsstabile, agogikfreie Darbietung die Geige in fester, männlicher Faktur erklingen lässt. Das SWR Rundfunkorchester Kaiserslautern, seit 2007 eingegangen in die Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern, legt einen Könnensbeweis erster Güte vor. Alun Francis unterstützt den aufgeräumten Charakter des Ganzen entschieden.
Bernhard Uske