Bartók, Béla / Felix Mendelssohn Bartholdy

Violin Concerto No. 2 / Violin Concerto

Augustin Hadelich (Violine), Norwegian Radio Orchestra, Ltg. Miguel Harth-Bedoya

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Avie AV2323
erschienen in: das Orchester 12/2015 , Seite 79

„Die Kombination aus Mendelssohn und Bartók mag zunächst überraschen und ist gewiss ungewöhnlich,“ schreibt Augustin Hadelich, der Solist, im Beiheft zu dieser neuen CD. Doch diese Kombination regt zu einem Hören an, das verfestigte Epochen-Klischees überwindet.
Solist und Dirigent achten im Violinkonzert von Mendelssohn auf die kleinteilige Struktur: So werden einzelne Motive erkennbar, vor allem da sie durch klar gesetzte Betonungen voneinander abgegrenzt werden. Anhänger der Romantik werden hier möglicherweise einwenden, dass dadurch die großen Spannungsbögen zerstört werden. Doch so weit würde ich nicht gehen. Vielmehr bauen die beiden Künstler die kleinteiligen Motive durchaus in die großen Zusammenhänge ein. Mendelssohns Musik klingt auf diese Weise schärfer, rhythmischer, klarer und näher an Mozart. Der Klang von Orchester und Sologeige orientiert sich nicht am Mendelssohn-Klischee des in der Nazi-Zeit als jüdisch-süßlich verpönten weichen Tones. Das wird insbesondere im langsamen Satz deutlich, wo zuerst das Fagott, dann die anderen Holzbläser durchaus kernig ihre Klangfarben entfalten und die Solovioline ihren Gesang nicht schwebend, sondern mit irdener Deutlichkeit spielt. Die tänzerischen Rhythmen des Schlusssatzes werden mit aller Schärfe artikuliert und nehmen so gespielt die geistvoll-spritzige Musik des um zehn Jahre jüngeren Jacques Offenbach vorweg.
Auch im Violinkonzert von Bartók stellen Solist und Orchester Klarheit, Rhythmus und genaue Artikulation in den Vordergrund. Nie, auch nicht bei den Fortestellen, geht es um Klanggewalt, sondern auch hier stets um Transparenz, Entfaltung von Klangfarben und die Sicht auf das Detail. Die Solovioline führt durch die verschiedensten Themen und Klangbilder des Orchesters wie ein Erzähler durch einen Roman. Solist und Orchester spielen zumeist sehr kammermusikalisch zusammen. Dadurch werden viele Feinheiten und Nuancen wahrnehmbar. Die Vielfalt und die ständige Veränderung der Themen durch Bartóks Variationstechnik können durch das genaue und bewusste Herausarbeiten der Details vom Hörer wahrgenommen und nachvollzogen werden. Dissonanzen werden von Solist und Orchester so gespielt, dass sie als Klangfarben wirken. Dabei folgt Hadelich seinem Ziel, dass auch moderne Musik schön sein soll.
So verstanden unterscheidet sich Bartóks Musik gar nicht so sehr von der Mendelssohns, was besonders deutlich beim Hören der jeweils tänzerischen dritten Sätze wird. Gewiss sind die Klänge anders, herrscht eine andere Harmonik, aber die geistvolle Interaktion zwischen Solist und Orchester, die rhythmische Spannkraft ist durchaus beiden Komponisten gemeinsam. So gelingt es Hadelich und Harth-Bedoya in dieser vorzüglichen CD Mendelssohn „moderner“ und Bartók „klassischer“ wirken zu lassen.
Franzpeter Messmer