Rosenmüller, Johann
Vesperpsalmen 8
Kritische Ausgabe sämtlicher Werke, Serie II, Bd. 15, hg. von Holger Eichhorn unter Mitarbeit von Konstanze Kremtz und Michael Heinemann
Die Gesamtausgabe Johann Rosenmüllers verdankt sich der Zusammenarbeit der Berliner Rosenmüller Gesellschaft und der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden. Im vorliegenden Band sind nun der Psalm Nr. 126, Nisi Dominus, Nr. 127, Beati omnes, und Nr. 129, De profundis clamavi, unter der Herausgabe von Holger Eichhorn erschienen. Besonders die vierfache Vertonung des Nisi Dominus sticht als Besonderheit und auch im Umfang hervor. Den ursprünglich hebräischen Gebetstext behandelt Rosenmüller grundsätzlich als strophische Poesie und löst den Gegensatz von Concertato- und Arienprinzip tendenziell auf.
Die erste unter den Nisi-Kompositionen, mit 532 Takten und einer Spieldauer von etwa 17 Minuten Rosenmüllers ausgedehntestes Voce-sola-Konzert, beginnt mit einer instrumentalen Sinfonia, die kontrastreich zwischen einem Pavanen-Rhythmus und einer Presto-Bewegung wechselt und sich mit diesem Spiel der Affekte in die Dramatik venezianischer Opernsinfonien einreiht, die generell das Werk Rosenmüllers, auch die weiteren Kompositionen in diesem Band, prägen. Die komplexe formale Gestaltung der ersten Nisi-Komposition spiegelt den reizvollen historischen Ort früher Konzerte, die noch an der Partiten-Tradition orientiert sind. Kundig weist der Herausgeber auf das darin sich ereignende Übermaß madrigalesker Bilder hin, das sich innerhalb des formalen Rahmens als Textausdeutung ereignet.
Rosenmüllers Tonsatz ist generell geprägt von symbolischen Gestaltungen, die der Herausgeber präzise am Beispiel der Perfidia-Technik mithilfe der Definition Johann Gottfried Walthers nachweist, bei der sich
sakrale Objektivität und anrührende Intimität (ein Cantus firmus mit gehender Bassführung) innig verbinden. Mehrfach lässt sich eine Anknüpfung an Monteverdi und an die venezianische Operntradition erkennen. Am Beispiel etwa der vierten Nisi-Komposition spricht der Herausgeber sogar von einer Zuspitzung des Sinfonientypus im Vergleich zur italienischen Überlieferung.
Besonders interessant an der vorliegenden Ausgabe ist die Möglichkeit des Vergleichs, dies in mehrfacher Hinsicht: wie unterschiedlich musikalisch mit ein und demselben Text umgegangen werden kann; und es wird grundsätzlich der kreative Umgang mit italienischen Konzerttraditionen anhand der verschiedenen Kompositionen deutlich. Mit einem ausführlichen Revisionsbericht, der gewissenhaften Überprüfung der Quellen sowie den bereits erwähnten detaillierten Musikbeschreibungen des Herausgebers erweist sich der Band als Bestätigung eines gleichsam bedeutenden wie bislang gelungen Projekts.
Der Notentext, übrigens in tadellosem Schriftbild gehalten, entstammt in erster Linie der wichtigsten Quelle der Werke Rosenmüllers, der Sammlung Bokemeyer Berlin, die Harald Kümmerling schon 1970 dokumentiert hatte.
Steffen A. Schmidt