Riemenschneider, Christoph

Vereinschronik – ein Roman

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Gollenstein, Merzig 2011
erschienen in: das Orchester 09/2011 , Seite 69

Rund um die Thematik „Blasmusik“ gibt es mittlerweile eine Fülle an Literatur: Handbücher zur Instrumentenkunde oder Aufführungspraxis, Ratgeber für Musiker und Orchesterleiter, Lexika, Musiklehren und vieles mehr. Einen Roman, der sich mit Gegenwart und Vergangenheit eines Musikvereins sowie mit dem Vereinsleben befasst, suchte man bisher vergebens.
Held des Romans Vereinschronik ist der gerade im Abitur stehende Oboist Tilman, der vom ersten Vorsitzenden kurz vor der Jahreshauptversammlung den Auftrag bekommt, eine Chronik zum 100-jährigen Bestehen des (fiktiven) Musikvereins „Harmonie“ Mühlweiler zu schreiben. Er ist einverstanden, bedingt sich aber aus, die Chronik auf seine eigene Weise verfassen zu dürfen. Tatsächlich stößt er bei seinen Recherchen auch auf Ungereimtheiten und Wahrheiten, die von früheren Chronisten bislang lieber verschwiegen wurden.
Christoph Riemenschneider – laut Klappentext studierter Orchestermusiker – versteht es auf eindrucksvolle Weise, den Chroniktext des Protagonisten in Abschnitten in die gegenwärtige Handlung einzubetten. Angesichts der detailgetreuen und humorvollen Schilderungen von Probewochenenden in der Jugendherberge, Mitgliederversammlungen, Ausflügen und Konzerten gehe ich jede Wette ein, dass er viele der geschilderten Ereignisse auch selbst erlebt hat. Zuviel „Insiderwissen“ wurde hier eingebracht. Alle Personen werden sehr einfühlsam und lebensnah charakterisiert, wobei heitere und tragische Schilderungen sich abwechseln.
Besonders kurzweilig und interessant sind auch verschiedene – nicht nur beim Musikverein Mühlweiler – existierende Spannungsfelder beschrieben, angefangen von der Literaturauswahl (geistlich oder zu welt-
lich; immerhin ist der Musikverein ja aus einem Posaunenchor hervorgegangen) bis hin zum künstlerischen Selbstverständnis von Laien- und Profimusikern. Am Ende des Buchs laufen die beiden Handlungsstränge in der Gegenwart zusammen, der Leser hat dann alle Tiefen und Höhen der hundertjährigen Vereinsgeschichte miterlebt.
Zahlreiche der etwa 500000 in Deutschland aktiven Blasmusiker gleich welchen Alters werden sich und ihren Verein beim Lesen garantiert wiederfinden, allein deshalb sollte die Vereinschronik Pflichtlektüre werden. Aber auch allen Nichteingeweihten sei dieser kurzweilige, aber auch berührende Roman als Sommerlektüre ans Herz gelegt.
Lutz Göhmann