Kolbe, Corina

“Tue Gutes und sprich darüber”

Beispiel 2: Fundraising im Konzerthaus. Corina Kolbe im Gespräch mit Sebastian Nordmann, Intendant des Konzerthauses Berlin, und Gabriele Bühler, Vorstandsvorsitzende des Vereins Zukunft Konzerthaus

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: das Orchester 05/2011 , Seite 26
Prof. Dr. Sebastian Nordmann, geboren 1971 in Kiel, promovierte nach dem Studium der Musikwissenschaften und Neueren Geschichte in Heidelberg und Berlin über das Thema "Der Einfluss des Schleswig-Holstein Musik Festivals auf die Musiklandschaft Schleswig-Holstein". Nach ersten praktischen Erfahrungen als Kultur- und Orchestermanager, unter anderem beim Edinburgh Festival und beim Landesjugendorchester Schleswig-Holstein, arbeitete er als Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group an Projekten bei einem großen CD-Label und zwei Banken. Von Oktober 2002 bis Dezember 2008 war er Intendant und Geschäftsführer der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern. Im Juli 2008 wurde er zum Professor für das Fach Musikmanagement/Kulturmanagement ernannt (Stiftungsprofessur an der Hochschule für Musik und Theater Rostock). Seit Beginn der Saison 2009/10 leitet Sebastian Nordmann als Intendant das Konzerthaus Berlin. ?Gabriele Bühler, geboren 1958 in Oldenburg, studierte Rechtswissenschaften an der Universität Hamburg. Nach beruflichen Stationen in Deutschland, Australien und den USA ließ sie sich 1990 als selbstständige Rechtsanwältin in Deutschland nieder. Mitte 2001 ging sie nach Washington D.C., wo sie neben ihrer Tätigkeit als Anwältin quasi als „Botschafterin“ des Konzerthauses Berlin die Fundraisingstruktur und Ehrenamtsprogramme an namhaften Kunst- und Kultureinrichtungen in den USA recherchierte. Nach ihrer Rückkehr 2003 hat sie am Konzerthaus Berlin das Pilotprojekt "Aufbau eines Ehrenamtsprogramms nach amerikanischen Vorbild" maßgeblich mitentwickelt und konzipiert. Seit Mitte 2007 ist sie auf diesem Gebiet auch für die Stiftung der Berliner Philharmoniker und seit Ende 2010 für die Komische Oper Berlin tätig. Darüber hinaus kümmert sie sich seit Herbst 2003 als Vorstandsvorsitzende von Zukunft Konzerthaus e. V. um die Einwerbung von Spendengeldern.

Das Konzerthaus wird vom Land Berlin getragen, finanziert sich aber auch durch Spenden und Sponsorengelder. In welchem Verhältnis stehen öffentliche Zuschüsse und private Finanzierung zueinander?
Sebastian Nordmann: Nimmt man den Gesamtetat als Maßstab, so ist der prozentuale Anteil unserer Fundraising-Einnahmen bisher noch gering. Unser Hauptsponsor leistet mit einer halben Million Euro jährlich zwar einen sehr großen Beitrag. Im Verhältnis zu dem riesigen Budget, das wir zur Finanzierung eines Sinfonieorchesters und eines Konzerthauses mit circa 600 Veranstaltungen im Jahr benötigen, erscheint aber selbst ein Betrag dieser Größenordnung eher gering. Musikfestivals können z.B. in der Regel einen größeren Prozentsatz eigenerwirtschafteter Einnahmen ausweisen, da sich ihre Personalkosten in Grenzen halten. Außerdem haben sie oftmals frühzeitig Fundraising-Modelle aus den USA übernommen und Stiftungen gegründet. Das Schleswig-Holstein Musik Festival beispielsweise hat damit schon 1986 begonnen. Die erfolgreiche Arbeit unseres Fördervereins zeigt allerdings, dass sich private Unterstützer auch an einem öffentlich finanzierten Haus über Jahre stark engagieren.

Frau Bühler, Sie sind die Vorstandsvorsitzende von “Zukunft Konzerthaus e.V.”. Wie kam es zu der Gründung des Vereins, und wie sah die Entwicklung der vergangenen Jahre aus?
Gabriele Bühler: Der Förderverein wurde 2000 von meinem Mann, Diethard Bühler, und Frank Schneider – dem Amtsvorgänger von Sebastian Nordmann – initiiert. Ich bin seit der Saison 2003/04 aktiv im Vorstand tätig. In den USA hatten wir zuvor miterlebt, wie auch öffentliche Kultureinrichtungen größtenteils durch private Sponsoren finanziert wurden. In Berlin verfolgen wir zwei wesentliche Anliegen: Wir wollen einerseits Geld für das Konzerthaus sammeln und zugleich der Politik signalisieren, dass ein starker, eigenständiger Verein dahinter steht.

Wie arbeiten Konzerthaus und Förderverein konkret zusammen?
Sebastian Nordmann: Ich kann dafür ein gutes Beispiel anführen. Als wir Ende 2009 eine Orchesterakademie gründeten, wollten wir gezielt nach Förderern dafür suchen. Der Verein hat uns dann mit interessierten Persönlichkeiten zusammengebracht. Gabriele Bühler kennt Berlin sehr gut und weiß, zu wem welches Projekt passen könnte. Die Projektideen kommen vom Konzerthaus, während der Verein vor allem seine Netzwerkstrukturen nutzt.

Wo verläuft die Grenze zwischen Unternehmensförderern und privaten Förderern?
Gabriele Bühler: Ganz klare Trennungslinien kann man nicht ziehen. Die klassischen Sponsoren, die materielle Gegenleistungen wie ein bestimmtes Kontingent an Freikarten erwarten, werden von der Marketingabteilung betreut. Als Verein kümmern wir uns aber auch um Unternehmensförderer. Ebenso wie Einzelpersonen, die als private Förderer auftreten, erhalten sie nur ideelle Gegenleistungen: Kartenservice, regelmäßige Treffen und Informationen. Diesem Kreis gehören durchaus auch Vorstandsvorsitzende von Firmen an, die sich unserem Haus persönlich verbunden fühlen.
Sebastian Nordmann: Ob jemand als Sponsor bei uns aktiv wird oder uns im Verein als Förderer über Spenden unterstützt, ist letztlich gar nicht der entscheidende Punkt. Es geht uns eher darum, auf breiter Ebene Förderer mit maßgeschneiderten Projekten oder Sponsoringpaketen zusammenzubringen. Die Übergänge sind manchmal fließend. Ein DAX-Unternehmen, das 50.000 Euro gibt, ist im Verhältnis zu jemandem zu betrachten, der privat 500 Euro spendet. Beides ist uns wichtig.
Allerdings sollte man beim Fundraising Förderer und Sponsoren nicht von vornherein in bestimmte Schubladen stecken. Oftmals überrascht der potenzielle Förderer mit ganz individuellen Interessen, zum Beispiel einer Jubiläumsveranstaltung oder einer gerade neu gegründeten Stiftung. Deshalb sind die regelmäßigen Gespräche mit den Förderern so wichtig.

Welche Projekte der vergangenen Jahre waren besonders erfolgreich?
Gabriele Bühler: Mit Hilfe unserer Förderer haben wir erst kürzlich einen neuen Steinway-Flügel anschaffen können. Außerdem unterstützen sie unsere alljährliche Kinderopern-Gala, bei der im Dezember 2010 Dornröschen aufgeführt wurde. Die Orchesterakademie ist ebenfalls ein fortlaufendes Projekt, genau wie die „Mo­zart-Matinee“ mit Kinderbetreuung und die „Tage der Offenen Tür“.
Sebastian Nordmann: Die Ansätze sind sehr unterschiedlich. Es gibt Förderer, die vor allem am Ankauf von Kinderinstrumenten interessiert sind. Die Körber Stiftung wiederum will die Vermittlung zeitgenössischer Musik voranbringen und sich dabei speziell an Erwachsene wenden. Mit ihrer Hilfe finanzieren wir die Konzertreihe „2 x hören“. Stiftungen zielen meist auf inhaltliche Kooperationen ab und engagieren sich kontinuierlich über mehrere Jahre, während sich manche Sponsoren zwischendurch für ein oder zwei Jahre ausklinken. Der Begriff „Fundraising“ hat mittlerweile viele Facetten.

Besteht bei erfolgreicher Fördermittelakquise nicht auch die Gefahr, dass das Land Berlin seine Zuschüsse kürzt?
Sebastian Nordmann: Das sollte an einem öffentlichen geförderten Haus natürlich nicht passieren. Unsere Förderer unterstützen uns bei bestimmten Projektideen. Die hohen Personal- oder Verwaltungskosten müssen auch weiterhin subventioniert werden, da sich dafür keine privaten Geldgeber finden lassen. Zusätzlich müssen aber auch öffentliche Mittel für die zeitgenössische Musik zur Verfügung stehen. Andernfalls träte die Sorge um eine hohe Auslastung so sehr in den Vordergrund, dass wir irgendwann nur noch ein weniger anspruchsvolles Programm anbieten könnten. In den USA ist dies leider häufig der Fall. Deshalb steht das amerikanische Modell auch gelegentlich in der Kritik.

Hat Ihnen die globale Finanzkrise 2008 und 2009 größere Rückschläge beschert?
Gabriele Bühler: Das Engagement der privaten Förderer blieb erfreulicherweise konstant, doch viele Unternehmensförderer haben auf einmal Gegenleistungen gefordert. Dadurch wurden sie zu normalen Sponsoren. Wir haben damals deutlich erkannt, dass sich die Töpfe der Unternehmen für Kulturförderung stark verkleinert haben. Die Firmen stehen offensichtlich unter einem wachsenden Rechtfertigungsdruck. Unter dem Strich hat sich unser Verein aber gut über die Krise hinweggerettet.

In welche Richtung könnten Ihre Förderstrukturen weiter ausgebaut werden?
Gabriele Bühler: Sinnvoll wäre etwa die Gründung „junger Förderkreise“, um weitere Unterstützer zu gewinnen. Junge Menschen kann man ebenfalls in die Förderung einbinden, wenn auch auf einer niedrigeren finanziellen Ebene. Die Resonanz auf unsere Programme zeigt uns jedenfalls, dass auch viele Jüngere sich mit dem Konzerthaus identifizieren. Insbesondere die breite Education-Arbeit, die bei uns und an anderen Häusern mittlerweile einen hohen Stellenwert hat, führt allmählich zu einem Umdenken in der Gesellschaft. Ein großes Problem besteht eher darin, dass die Politik nicht mitzieht und den Musikunterricht an Schulen vernachlässigt. Die Konzerthäuser dürfen nicht dafür verantwortlich gemacht werden, diese Lücke zu schließen.
Sebastian Nordmann: Die Musikvermittlung sollte nicht nur bei Kindern, sondern auch bei deren Eltern ansetzen. Zu unserer „Mozart-Matinee“ kommen sonntags auch vielbeschäftigte Manager, die im Konzerthaus vor dem Konzert mit ihren Familien frühstücken können. Solche Menschen kann man dann auch leichter als Förderer gewinnen. Schließlich ist nicht jeder Förderer von vornherein ein Klassikexperte. Wir werden aber natürlich nicht überall Croissants anbieten. Oberstes Ziel muss bleiben, ein neues Publikum an die klassische Abo-Konzertreihe heranzuführen. Dabei spielen auch Themen wie Musikvermittlung sowie die individuelle Ansprache des Publikums eine bedeutende Rolle. Beim Fundraising kann man nicht einfach die Hand aufhalten. Um manche Förderer muss man ebenso werben wie um neue Konzertbesucher, die man erst einmal für klassische Musik begeistern muss.