Rosetti, Antonio

Trovatello

Compagnia di Punto

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Sony Music dhm 88765477822
erschienen in: das Orchester 09/2013 , Seite 81

Diese CD ist ein Glücksfall. Aus dem reichen Œuvre Rosettis wurde inzwischen das meiste an Sinfonien, Konzerten, etliche Chorwerke und das meiste an vielfältiger Bläserkammermusik auf Tonträgern eingespielt. Diese Produktion mit fünf Werken – darunter zwei Ersteinspielungen – für eine gemischte Bläser- und Streicherbesetzung bringt deshalb eine willkommene Abwechslung in seine klingende Diskografie.
Das Quintett Murray B6 ist in der reinen Bläserfassung zwar schon mehrfach aufgenommen worden, aber offenbar wurde es auch für Flöte, Horn und drei Streicher arrangiert, vielleicht sogar von Rosetti selbst, vermutlich aber von Giovanni Punto, jenem böhmischen Hornvirtuosen, der seinen Namen – Johann Wenzel Stich oder Jan Václav Štich – italianisieren musste, weil man dem Leibeigenen des Prager Grafen von Thun nach der Flucht des 22-Jährigen 1768 aus dessen Diensten lange Zeit auf den Fersen war. Unter seinem Namen erschien es mit zwei anderen Kompositionen 1789 im Druck bei Jean-Georges Sieber in Paris. Für das ebenso temperamentvoll wie klangschön musizierende junge Originalklang-Ensemble, das sich nach Punto benennt, lag es wohl nahe, diese Bearbeitung als erstes Werk der CD aufzunehmen und so seinem Namensgeber und auch Rosetti die Ehre zu geben.
Angesteckt durch die Vielfarbigkeit der alternativen Fassung fand man vier weitere Rosetti-Kompositionen, die sich in ähnlich gemischter Instrumentenbesetzung präsentieren: ein Sextett für Flöte, zwei Hörner und Streicher Murray B24, ein anderes für Flöte, Horn und Streicher B26, ein Quartett für Flöte und Streicher Murray D16 und das Notturno für zwei Flöten, zwei Hörner und Streicher Murray B27.
Die großartigen Instrumentalisten der Compagnia di Punto machen aus den einfallsreichen Melodien Rosettis und deren fantasievoller Ausarbeitung in mannigfacher Ausformung zwischen lyrischer Versenkung und dramatischem Ausbruch mehr als eine nur unterhaltsame, oft in fast symphonische Dichte strebende Tonsprache, die nachdrücklich dokumentiert, dass Rosetti selbstbewusst eine eigene Musiksprache entwickelt hat, die eher mitprägt als nachahmt, was in seiner Zeit komponiert wurde. Die Compagnia interpretiert die Werke ihrer Trovatello-CD („Trovatello“ wie „Findling“, „Trouvaille“) einfühlsam, engagiert und durchaus virtuos. Dem Hornisten Christian Binde gelingen gelegentlich herrlich blökende Hornakzente; ihm verdanken wir im Booklet auch eine köstlich formulierte Geschichte über „Rosetti und Graf Kraft Ernst zu Oettingen-Wallerstein“…
Diether Steppuhn