Wagner, Richard

Tristan und Isolde

6 CDs

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Der Hörverlag
erschienen in: das Orchester 09/2013 , Seite 77

Gut sechs Stunden – das ist selbst für eine Wagner-Einspielung eine ungewöhnliche Länge…
Doch diese Tristan und Isolde-Box mit sechs CDs präsentiert die Oper in einer Art vertiefter Fassung: Der Germanist und Wagner-Kenner Peter Wapnewski nämlich, dessen Bücher über den Komponisten nach wie vor zu den fundiertesten und interessantesten Exemplaren der Wagner-Literatur gehören, fügt dem Werk hier Kommentare und Erklärungen bei, die es besser verständlich und auf jeden Fall auch für Nicht-Wagnerianer besser verdaulich machen.
Ein wesentlicher Aspekt dabei ist, dass die 98 Minuten Kommentare nicht separiert auf zwei CDs zu finden sind, sondern jeweils nach kürzeren oder längeren Musikabschnitten (270 Minuten) direkt folgen bzw. vorausgehen. Das hat den Nachteil, dass der Fluss der Musik unterbrochen wird und das für den Wagner-Konsum so charakteristische Versinken in der Musik ausbleibt, aber gleichzeitig den Vorteil, dass die Kommentare eben da stehen, wo sie hingehören (man also auch noch weiß, was man gera-
de über eine Stelle gelernt hat, wenn man sie hört), und man die Musik mangels Versenkung vielleicht etwas distanzierter und analytischer wahrnimmt. Wenn da zwischendrin beispielsweise auch mal zwei Wesendonck-Lieder erklingen, nimmt man durch die direkte Gegenüberstellung viel deutlicher die Parallelen zum Tristan wahr als wenn man sie separiert hören würde; mit den Erklärungen Wapnewskis natürlich noch im Ohr.
Detaillierte musiktheoretische Erläuterungen erspart der Autor und Sprecher seinen Hörern, geht vielmehr in musikalischer Hinsicht auf die Wirkung oder die zeitgenössische Rezeption diverser kompositorischer Besonderheiten des Werks ein, und berichtet vor allem in klaren, auch beim Hören gut verständlichen Worten vom Hintergrund des Stücks, von Wagners Leben, den Geschichten rund um das Werk. Auch auf die Struktur der Handlung und ihre Ursprünge geht er ein, eröffnet neue Bedeutungshorizonte und öffnet das Auge (oder Ohr) für Details in Musik und Text. Er spricht dabei nicht wie ein Rundfunksprecher, sondern wirkt eher wie ein freundlicher, aber hochkompetenter Erzähler, was die Sache noch angenehmer zu hören macht. Das Booklet bietet sogar noch weitere Informationen.
Die Einspielung des London Philharmonic Orchestra von 1952 unter Furtwängler scheint eine gute Wahl. Selten nachher fand sich eine so glückliche Sängerbesetzung zusammen wie in dieser Aufnahme, und auch musikalisch-technisch kann sie sich nach wie vor mit den modernen Aufnahmen messen. Sicher, Blech oder auch Streicher in hohen Lagen spielen teils heftig unsauber – aber das ist bei neueren Einspielungen nicht anders. Die Streicher klingen heller, süßer, verschleifen mehr, als man das heute gewohnt ist – doch besitzen sie auch einen charakteristischen Klang, der den heutigen Symphonieorchestern meist fehlt. Nein, das ist schön zu hören und auch die Klangqualität der Aufnahme lässt nichts zu wünschen übrig: 2001 remastert, zeigt sie kaum mal ein Knacksen oder Rauschen, wirkt warm und glanzvoll. Gute Idee, gut gemacht.
Andrea Braun