Heusinger, Detlef
Tripelkonzert
für Oboe damore, Viola, verstärktes Cembalo und Orchester, Partitur
Das muss man sich in Zeiten knapper Kassen und schwindender Abonnentenzahlen erst einmal trauen: Das Staatstheater Cottbus präsentiert seinem Konzertpublikum nun bereits in der dritten Spielzeit in jedem Sinfoniekonzert die Uraufführung eines ca. fünfminütigen Auftragswerks. Dieser außergewöhnliche Mut zum Neuen wurde vor Kurzem vom Deutschen Musikverlegerverband mit der Auszeichnung Bestes Konzertprogramm der Saison 2010/11 belohnt.
Mitgeehrt wurde dabei auch Detlef Heusingers Tripelkonzert, das im Januar 2011 in der Cottbusser Reihe uraufgeführt wurde und ausdrücklich einen besonderen Bezug zur Stadt aufweist. Heusinger schrieb dazu im Programmheft: Ohne Cottbus und seine Umgebung wirklich zu kennen, haben mich Fotos und Filme von Bahnhofsgelände, Industrie- und Bergbaulandschaften, Jugendstilvillen neben Plattenbauten, aber auch der Altmarkt mit seinen Häusern im Stil der Barockzeit inspiriert, eine Musik zu kreieren, die es mit der Widersprüchlichkeit dieser Vielfalt aufnimmt. Der ursprüngliche Untertitel Landschaft im Osten ist allerdings in der Partitur nicht (oder nicht mehr) zu finden fürchtet die Edition Gravis etwa einen Beigeschmack von Provinzialität? Dabei versteht Heusinger sein Stück ausdrücklich nicht als banale Klangmalerei, sondern als sedimentierter Geist, als verdichtete (Musik-)Geschichte.
Überraschend ist jedoch die Offenheit, mit der sich Heusinger auf die barocke Triosonate bezieht: Aus der Geige ist eine Bratsche, aus der Oboe eine (noch barockere) Oboe damore geworden, und das Cembalo bleibt sogar sich selbst, auch wenn es künstlich verstärkt wird (das übrigens der einzige Punkt, an dem Heusingers hauptsächliche Beschäftigung mit elektronischer Musik entfernt durchschimmert). In der Behandlung der Soloinstrumente spiegelt sich auch die Widersprüchlichkeit der Vielfalt am ehesten: Die Oboe damore schwelgt in manierierten Seufzer-Affekten, das Cembalo übt sich in barocker Geschäftigkeit und die Viola weckt Assoziationen bürgerlicher Biederkeit.
Hier enden dann freilich die historisierenden Bezüge: Mit dem musikalischen Wettstreit eines barocken Concerto grosso hat Heusingers Tripelkonzert nämlich rein gar nichts zu tun. Die Solisten treten stattdessen als Flaneure auf, die durch die Klanglandschaften des Orchesters mäandern und das zumeist nicht als Kollektiv, sondern einzeln. Das Übereinander der jeweiligen musikalischen Sphären bleibt ebenso die Ausnahme wie der motivische Austausch mit dem Orchester, das meist als subtil abgeschattetes Hintergrundband komponiert ist. Die Solo-Partien sind trotz der Kürze des Stücks anspruchsvoll, die Orchesterbesetzung bleibt dagegen mit dreifachem Holz (inklusive Saxofon), normalem Blech, (nur) drei Schlagzeugern, Harfe, Streichern und einem zusätzlichen Pianisten in einem überschaubaren Rahmen. Die Partitur ist einwandfrei gedruckt, dürfte allerdings mit der simplen Ringbindung des Rezensionsexemplars den Ernstfall einer Probenphase kaum überstehen.
Joachim Schwarz