Beethoven, Ludwig van
Tripelkonzert C‑Dur op. 56 / Klaviertrio D‑Dur op. 70 Nr. 1 “Geistertrio”
Über Gebrauchsbearbeitungen musikalischer Werke im 19. Jahrhundert ließen sich ganze Regalmeter wissenschaftlicher Arbeiten schreiben (ein Teil davon existiert wirklich). Zunächst denkt man vor allem an Klavierauszüge: Sie übertrugen die Orchesterpartien von Konzerten, Oratorien und Opern einem einzelnen Klavierspieler, während Solo- und Chorstimmen unverändert blieben. Daneben gab es das weite Feld reiner Klavierbearbeitungen: Hier wurden Instrumentalwerke von der Sinfonie bis zum Streichquartett, aber auch Opern und Oratorien mit Haut und Haaren für ein oder zwei Klaviere zu zwei, vier oder acht Händen arrangiert. Außerdem existierten weitere Bearbeitungsvarianten. Eine besonders noble war die Bearbeitung für Klaviertrio. Beethovens eigene Triofassung der 2. Symphonie oder Theodor Kirchners geniale Triofassung von Brahms Streichsextetten haben schon fast wieder die Aura von Originalen.
All diese Bearbeitungen trugen vor dem Zeitalter von Schallplatte und Rundfunk wesentlich zur Verbreitung von Kunstmusik im privaten Rahmen also außerhalb der Konzertsäle bei. Wer solche Bearbeitungen hören wollte, musste sie zumeist auch spielen. Diese Selbstbeteiligung intensivierte den künstlerischen Genuss und verhinderte Berieselungsmentalität, die selbst manche öffentlichen Rundfunkanstalten (etwa der NDR) den Hörern heute durch nervtötende Häppchenprogramme aufzwingen.
Die neue CD des Arensky Trios führt mit ihrer ersten Hälfte anschaulich in jene alte Bearbeitungspraxis zurück: Vor Beethovens Geistertrio op. 70 Nr. 1, das in einer bündig-ausgewogenen, frischen, im zentralen langsamen Satz stimmungsvoll-strukturklaren, bei den Doppelpunktierungen im Seitenthema des
1. Satzes allerdings seltsam sorglosen Wiedergabe erklingt, ist Carl Reineckes 1866/67 entstandene Klaviertrio-Bearbeitung von Beethovens Tripelkonzert op. 56 zu hören. Reinecke fruchtbarer Komponist, geschichtsbewusster Pianist und renommierter Leiter des Leipziger Gewandhausorchesters war freilich nicht der erste, der eine pure Klaviertrio-Fassung des Werks veröffentlichte: Bereits vier Jahre zuvor hatte was zur Ergänzung des informativen Booklets hier erwähnt sei der von Schumann einst als tiefsinniger, großer Kunst beflissener geistlicher Tonsetzer gerühmte Friedrich Eduard Wilsing ebenfalls schon ein Klaviertrio-Arrangement veröffentlicht. Die heikle Doppelaufgabe, Orchester- und Solopartien schlüssig im Klaviertrio-Format zusammenzuführen und dabei solistische und orchestrale Tonfälle trennscharf auseinander zu halten, hat Reinecke durchaus intelligent und fantasievoll gelöst, wie sich mit Beethovens Orchesterpartitur in der Hand beim Hören der reinen Dreierfassung leicht feststellen lässt.
Freilich stellt man auch fest, dass die Stärken des Arensky Trios doch eindeutig im reinen Kammermusikspiel liegen. Der permanente Rollentausch zwischen orchestraler Kompaktheit und solistischem Auftrumpfen führt zumindest die Streicher beim eingedampften Tripelkonzert unüberhörbar an Grenzen, die beim Geistertrio unhörbar bleiben. So ist die erste Hälfte der CD interessant, die zweite überzeugend.
Michael Struck