Bach, Johann Sebastian

Triosonate B-Dur

für 2 Violen da braccio und Basso continuo, Rekonstruktion einer Weimarer Frühfassung des 6. Brandenburgischen Konzertes BWV 1051

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Edition Walhall, Magdeburg 2005
erschienen in: das Orchester 12/2006 , Seite 84

Das 6. Brandenburgische Konzert ist eines der frühesten Werke, in denen der Bratsche eine entscheidende Rolle zugedacht wird. Johann Sebastian Bach zählt zu jenen Komponisten, die „fertige“ Werke immer wieder hernehmen, um daran weiter zu feilen und Details zu verbessern. Gerade bei seinem kammermusikalischen Instrumentalschaffen stellt sich immer wieder die Frage: Hat der meist recht zügig schaffende Meister wirklich nur diese wenigen Konzerte komponiert, die wir heute von ihm kennen, obwohl er insgesamt etwa 15 Jahre führende Positionen an weltlichen Hofhaltungen bekleidete?
Die meisten Konzertkompositionen sind erst aus Leipziger Quellen überliefert, die in Zusammenhang mit seiner Leitung des studentischen „Collegium Musicum“ gebracht werden. Auch fehlen fast vollständig die kleineren Besetzungsvarianten, etwa die Triosonate, auf deren Gebiet sein befreundeter Kollege Georg Philipp Telemann so erfolgreich tätig war. Hinter diesen Fragen steht natürlich der berechtigte Wunsch nach mehr Stücken bester Qualität von einem berühmten Komponisten, möglichst in seltenen Besetzungen.
In den jüngsten Jahren tauchen immer wieder Hypothesen auf, dass Werke Bachs zunächst in anderer Besetzung vorlagen. Einige wenige sind belegbar, etliche musikalisch plausibel, andere deutlich der vorhandenen Version unterlegen. Bei der nun vorliegenden „Rekonstruktion“ legt Alexander Ferdinand Grychtolik eine Version des 6. Brandenburgischen Konzertes vor, die ohne die begleitenden Gamben und unter heftiger Reduzierung des virtuosen Celloparts auskommen muss. Diese Bearbeitung, der durch den Hinweis auf eine nicht belegbare „Weimarer Frühfassung“ ein (pseudo)wissenschaftlicher Mantel umgehängt wird, überzeugt jedoch überhaupt nicht.
Neben dem mangelnden Quellenbestand ist im ersten Satz der Wegfall wichtiger Imitationen des Cellos zu bedauern. Im 3. Satz ist wieder der Generalbass sehr aktiv. Hier wäre die in der Triosonatenliteratur des frühen 18. Jahrhunderts häufige Aufspaltung der Basslinie in einen Part für ein obligates Cello und einen den Generalbass ausführenden Basspart eine brauchbare, allerdings in das Satzgeschehen mehr eingreifende Lösung gewesen. Auf diese Weise hätte die vorliegende Bearbeitung zumindest als vollwertiges Studienmaterial für ein erstes Kennenlernen des Notentextes auch ohne die beiden Gamben dienen können. Klanglich höchst unbefriedigend ist die klobige und eher zu hoch liegende Generalbassaussetzung. So ist vom Gebrauch dieser „Rekonstruktion“ doch eher abzuraten.
Ernst Kubitschek