Ravel, Maurice

Trio pour piano, violon et violoncelle

Urtextausgabe

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2009
erschienen in: das Orchester 06/2010 , Seite 66

Das einzige Trio des „Schweizer Uhrmachers“, wie Igor Strawinsky seinen geschätzten Kompositionskollegen Maurice Ravel fast liebevoll, aber auch ein wenig ironisch wegen seiner akribischen Stilgenauigkeit und beinahe pedantischen Arbeitsweise im Komponieren einmal bezeichnete, ist in der Tat selbst für gewiefte Instrumentalisten überaus heikel zu interpretieren. So nimmt es nicht Wunder, dass der Erstdruck aus dem Jahr 1915 – wenn auch nur marginal und so bislang nicht bekannt – in vereinfachter Form veröffentlicht wurde.
Jetzt endlich – beinahe hundert Jahre nach Entstehung des zum Teil sphärisch komponierten Werks voll ineinander geflochtener Jugendstil-Anmut, französischer Eleganz und duftigem Esprit – liegt erstmals ein wissenschaftlich fundierter Druck vor, der den ursprünglichen musikalischen Willen Ravels in seiner wahren Schönheit und Größe zeigt. Dass Ravel diesen vom Autograf etwas veränderten Erstdruck ohne große Widersprüche akzeptiert hatte, dessen Korrekturen der im Kriegsdienst befindliche Komponist in die Hände des Pianisten Alfredo Casella gab, scheint offensichtlich. „Ob sich Casella bei den Korrekturen letztendlich an Ravels Notizen hielt oder ob er auch eigene Veränderungen vornahm, kann heute nicht mehr nachvollzogen werden. Ravels Stichvorlagenmanuskript jedenfalls zeigt, dass das von Durand gedruckte Trio im zweiten Satz signifikant davon abweicht“, so die Herausgeberin im Vorwort.
Informativ und bis in die kleinste Einzelheit erschöpfend und großzügig ist, das vorbildlich verfasste, dreisprachige Vorwort der Herausgeberin Juliette Appold, die offenbar mit sehr viel Liebe und genau recherchiert hatte. Sie schreibt umfassend „Zur Entstehungs- und Publikationsgeschichte“, geht auch auf das Trio selbst ein mit einem Seitenblick auf „Ravels Ästhetik“ und bespricht die „Aufführungspraxis“, wobei sie ebenso die Fragen nach dem Ravel’schen „Tempo“ und „Rubato“, seine „Dynamik“ und die „Phrasierungen“ sowohl bei den beiden Streichern als auch auf dem Klavier nicht außer Acht lässt.
Mit der üblichen Danksagung und Hinweisen zur Edition baut sie eine Brücke zum „Kritischen Bericht“ im Anhang, der – wenn auch leider, aber verschmerzbar, nur auf englisch – mit einer Bibliografie, Quellennachweisen, zwei Seiten Faksimile des II. Satzes sowie sechs Seiten umfassenden Einzelanmerkungen mit Notenbeispielen der Veränderungen eben aus dem „Pantoum“-Satz versehen ist. Schon dies alles bewirkt, dass keinerlei Wünsche von Seiten des Musikwissenschaftlers sowie des Praktikers mehr offen zu sein scheinen und damit ein Druck an die Öffentlichkeit gelangt ist, der vorbildlich für die nächsten Generationen sein wird.
Nach all dieser sehr informativen Lektüre eröffnet sich dem freudigen Interpreten ein – ebenso wie der Schrifttext – übersichtliches und sehr gut lesbares, vorbildliches Notenbild, aus dem man diese wunderbar-exquisite, am Vorabend des Ersten Weltkriegs komponierte Musik entstehen lassen kann.
Werner Bodendorff

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