Ysaÿe, Eugène / Max Reger

Trio op. 35 „Le Londres“ für zwei Violinen und Viola / Serenade op. 141a G-Dur für zwei Violinen und Viola

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Hevhetia HV 0040-2-331
erschienen in: das Orchester 11/2010 , Seite 76

Die Triobesetzung zwei Violinen/Viola kann auf ein nicht allzu großes Repertoire zurückgreifen. So ist es umso erfreulicher, dass ein Trio für diese Besetzung von Ysaÿe neu im Schott-Verlag herausgegeben wurde und nun als „Weltpremiere“, wie es im Booklet heißt, auf CD erscheint. Ysaÿes Trio geht auf seine 1914 für seine Schülerin, Königin Elisabeth von Belgien, komponierte Sonate für zwei Violinen zurück. Diese Sonate war für die prominente Schülerin offenbar zu schwierig, weshalb Ysaÿe eine dritte Stimme hinzukomponierte und so den Violinsatz vereinfachen konnte. Das Werk wurde in London uraufgeführt. Die Druckplatten wurden bei einem Brand zerstört.
Jetzt erschien eine Neuausgabe, die auf dem Manuskript beruht. Dabei ergab sich, dass nur die beiden ersten Sätze eine Transkription der Duosonate sind, während der dritte Satz neu komponiert wurde. Dieser dritte Satz dauert mehr als 20 Minuten, entfaltet die Themen und deren Weiterentwicklung in geradezu sinfonischen Dimensionen und führt den Hörer in nicht nachlassender Spannung zum Höhepunkt, einem Ausbruch dramatischer Energie.
Die Interpreten dieser CD, Nandor Szederkenyi, Marianne Riehle und Milan Radic?, spielen Ysaÿes Kammermusik sehr differenziert, genau artikuliert und dennoch mit einem verschmelzenden Klang, der die großen Spannungsbögen, die diese Musik prägen, zum Hörerlebnis werden lässt. Sie betonen den Charakter dieser Musik eines Gesangs ohne Worte. Mit einem reichen Timbre und vielfachen Abschattierungen betonen sie die Expressivität von Ysaÿes Komposition.
Musik wurde in der Zeit um 1900 als etwas Energetisches entdeckt, als Energieballung in oft dissonanten Akkorden oder als Energieentladung in den virtuos schnellen Passagen. Das empfand auch Max Reger so, der zwar seinen Stil anhand von Bach, Mozart und Brahms formte, aber die Musik weiterentwickelte mit einer Motorik, die der anbrechenden modernen Maschinenwelt entsprach.
Das Trio spielt Regers Musik ganz anders, als diese im Booklet charakterisiert wird. Dort steht, sie wäre wie der Komponist selbst „unfreundlich“, „bitter“ und „pedantisch“. Doch auf der CD klingt sie hell, klar, oft voller Humor und Spielfreude. Die Interpreten betonen die rhythmischen Akzente, erfreuen durch eine Mozart’sche Leichtigkeit und eine klare Artikulation der Motive. Virtuos schnell und mit erstaunlicher Homogenität bewältigen sie schwierigste Passagen. Dabei achten sie vor allem auch auf die Klangfarben, lassen Stellen von großer Helligkeit aufleuchten oder dunkle Bereiche durch den sonoren Bratschenklang anklingen. Damit zeigen sie, wie reich an Ausdrucksschattierungen Regers Musik ist, und widerlegen damit so manches Vorurteil.
Franzpeter Messmer

Page Reader Press Enter to Read Page Content Out Loud Press Enter to Pause or Restart Reading Page Content Out Loud Press Enter to Stop Reading Page Content Out Loud Screen Reader Support