Theodorakis, Mikis

Trio für Violine, Violoncello und Klavier / Petite Suite für Streichquartett

jeweils Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2010
erschienen in: das Orchester 06/2011 , Seite 73

Welcher Komponist träumte nicht davon, wenigstens einmal im Leben einen Hit zu schreiben, ein Stück, das einen über Nacht beim breiten Publikum bekannt macht? Mikis Theodorakis gelang mit seiner Filmmusik zu Alexis Sorbas und insbesondere mit dem berühmten „Sirtaki“ daraus ein solches Kunst-Stück – allerdings zu einer Zeit, da er der Fachwelt längst kein Unbekannter mehr war, und in einem Genre, das fortan erst recht den Blick auf den „klassischen“ Komponisten Mikis Theodorakis verstellte. Noch immer ist der große griechische Musiker und Politiker vor allem dank seiner Lieder und Filmmusiken bekannt; und noch immer wird seine Kammer- und Orchestermusik viel zu selten aufgeführt.
Zwei Werke, die es eigentlich leicht in das Kammermusik-Repertoire des 20. Jahrhunderts schaffen sollten, liegen jetzt in vorbildlich gestalteten Neuauflagen vor: das in schweren und für den Komponisten lebensbedrohlichen Zeiten entstandene Trio für Violine, Violoncello und Klavier von 1946/47 und die Petite Suite für Streichquartett, die Theodorakis komponierte, bevor er 1954 zur Fortsetzung seiner musikalischen Studien nach Paris übersiedelte.
Beide Werke bieten Kammermusik, die ernsthaft und durchstrukturiert, doch zugleich voll Impulsivität und Gesanglichkeit ist. Man kann sich leicht vorstellen, wie Mikis Theodorakis mit solchen Kompositionen Kollegen wie Dmitri Schostakowitsch, Darius Milhaud, Olivier Messiaen oder Hanns Eisler auf sich aufmerksam machte. Beeindruckend sind die Klarheit der Stimmführung, die Übersichtlichkeit in der Gesamtanlage und die Reduktion auf einen geradezu „klassischen“ Ton. Theodorakis’ Musik will nicht mehr sein als sie ist, sie muss sich aber hinter den Werken seiner ungleich berühmteren Zeitgenossen keinesfalls verstecken.
Im Klaviertrio kontrastieren zwei motorisch bewegte, jedoch durch Episoden unterschiedlichen Tempos und Ausdrucks stark gegliederte mit zwei eher ruhigeren Sätzen, deren erster suchend beginnt und nach kurzem Höhepunkt leise verklingt, während der „Intermezzo“ überschriebene dritte Satz vor allem von weiten Melodiebögen lebt. Zu diesem Kontrast in der Bewegung tritt die Gegenüberstellung der Klangwelten von Klavier und Streichern hinzu. Diese beiden Kontrastpaare wiederum spannen das Koordinatensystem auf, in dem der Komponist auf vergleichsweise kleinem Raum einen sehr großen Abwechslungsreichtum erzielt – und trotz schnell wechselnder Ausdrucksebenen nicht den Gesamtzusammenhang aus den Augen verliert.
In der Petite Suite ist ebenfalls viel von diesem Kontrastreichtum zu bewundern, allerdings sind die vom Streichquartett getragenen Strukturen noch deutlich übersichtlicher und reduzierter. Mikis Theodorakis scheint seine Musiksprache hier bereits klar auf den Punkt gebracht zu haben. Gerade so, als wolle er mit den fünf Sätzen dieser Suite an klassische Vorbilder anknüpfen.
Daniel Knödler