Brahms, Johannes / Arnold Schönberg

Trio für Klavier, Violine und Violoncello Nr. 1 op. 8 (1. Version, 1854) / Verklärte Nacht op. 4

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Ars Musici AM 1383-2
erschienen in: das Orchester 12/2005 , Seite 77

Auf der Suche nach Nischen im CD-Repertoire gelangen verstärkt Frühfassungen und Bearbeitungen auf den Markt. Doch bei der vorliegenden CD ist die Motivation zur Einspielung in der Sache begründet. Das ausgezeichnete Booklet, das ein Interview mit den Ausführenden über die Auswahl der Werke und einen Essay von Elmar Budde über die Jugendwerke von Brahms und Schönberg enthält, macht deutlich, warum die erste Fassung des Klaviertrios op. 8 von Brahms aus dem Jahr 1854 ein eigenständiges Werk darstellt, das im Musikleben zu Unrecht gegenüber der stark überarbeiteten Fassung aus dem Jahr 1889 vernachlässigt wird. Die Urfassung des Trios von 1854 ist ein Werk, das inhaltliche Bezüge aufweist und wegen des jugendlich unbekümmerten Umgangs mit der Form einen besonderen Reiz hat. Anhand von Musikzitaten gibt es Aufschluss über das Verhältnis von Brahms zu Clara Schumann. Diese Zitate hat Brahms später bewusst getilgt.
Das CD-Cover macht nicht recht deutlich, dass es sich bei der Einspielung des Opus 4 (Verklärte Nacht) von Arnold Schönberg um eine Bearbeitung für Klaviertrio von Eduard Steuermann handelt. Der Pianist aus dem Freundeskreis Schönbergs hat diese Bearbeitung 1932 als Geburtstagsgeschenk für die Schönberg-Schülerin Alice Moller angefertigt. Bei der Übertragung vom Streichsextett auf das Klaviertrio ist natürlich etwas von der Wärme des satten Streicherklangs verloren gegangen, dafür hat das Stück aber an struktureller Durchhörbarkeit gewonnen.
Die beiden Stücke von Brahms und Schönberg stehen in einem inneren Zusammenhang, einmal, weil Schönberg Brahms bewundert und von seiner Kompositionstechnik gelernt hat, zum zweiten, weil bei beiden Stücken problematische Liebesbeziehungen im Hintergrund stehen.
Das Trio Jean Paul wurde 1991 gegründet und hat erste Preise bei diversen internationalen Musikwettbewerben gewonnen. Mit der Wahl ihres Namenspatrons wollen die drei Musiker „nicht nur auf ihre besondere Affinität zum Werk Robert Schumanns, sondern auch auf den künstlerischen Grundgedanken, die sprachlich-rhetorischen Elemente der Musik zum Ausgangspunkt ihrer Interpretationen zu machen“, hinweisen. Das ist ihnen auf der vorliegenden CD zweifellos gelungen. Die Interpretationen des Trios zeichnen sich aus durch sensibles Gefühl für musikalische Phrasen, durch überzeugende feindynamische und feinagogische Gestaltung, durch differenzierten Klang und ausgewogenes Zusammenspiel der drei Instrumente. Äußerst spannungsvoll gelingt z.B. das Schluss-Ritardando und -Diminuendo im dritten Satz des Trios von Brahms. Alles in allem kann man die CD mit ihren zwei hochinteressanten Einspielungen rückhaltlos empfehlen.
Elmar Bozzetti