Ustwolskaja, Galina
Trio für Klarinette, Violine und Klavier
Partitur und Stimmen
Das Trio für Klarinette, Violine und Klavier ist ein frühes Werk der erst in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts im Westen bekannt gewordenen russischen Komponistin Galina Ustwolskaja (*1919). Nach Ustwolskajas Studienjahren bei Dmitri Schostakowitsch ist es 1949 entstanden, wurde aber erst 1970 in der damaligen Sowjetunion publiziert. Es ist erfreulich, dass dieses Werk, das 1975 noch einmal überarbeitet wurde, jetzt endlich in der Exempla-nova-Reihe erschienen ist, handelt es sich doch um ein wichtiges Werk im Werdegang der äußerst selbstkritischen, in St. Petersburg beheimateten Komponistin, die insgesamt nur 25 ihrer Werke freigegeben hat. Bedeutsam war es auch für Schostakowitsch, der ein Thema (Ziffer 30) aus dem Schlusssatz des Trios in sein 5. Streichquartett einfügte. Das Verhältnis zwischen Ustwolskaja und ihrem Mentor war nicht spannungsfrei, doch zollte er ihr große Anerkennung, indem er schrieb: Nicht du stehst unter meinem Einfluss, sondern ich unter deinem.
Das atonale Trio zeigt schon in vielem den Weg auf, den die damals vierzigjährige Komponistin danach gehen sollte: Reduktion auf das absolut Notwendige, Dichte der musikalischen Aussage, Neigung zu extremen Gestaltungen, ständiger Taktwechsel und ein starkes lineares Denken bestimmen die drei Sätze des Werks. Dass es ihr primär um den Ausdruck der Musik geht, zeigen die Satzüberschriften: Der erste Satz ist mit Espressivo, der zweite mit Dolce und der dritte Satz mit Energico überschrieben. Tempoangaben fehlen ganz. Über weite Strecken ist die Satzdichte auf eine Zweistimmigkeit reduziert, auch der Klavierpart ist in den ersten beiden Sätzen extrem ausgedünnt. Nur der kontrapunktisch durchgeformte dritte Satz mit seiner unerbittlichen Viertelbewegung weist eine größere Klangdichte auf, die sich auch dynamisch in einem durchgängigen forte, das bis zum vierfachen forte gesteigert wird, äußert. Hierauf folgt mit einem Absturz ins vierfache piano zugleich der größte dynamische Kontrast. Der Satz verliert mit einer Reduktion des Materials auf wenige Haltetöne und einen dissonanten Akkord in ametrischer Folge in der tiefsten Klavierlage seine gesamte Energie.
Spieltechnisch stellt das 15-minütige Trio, das eine große Bereicherung des Repertoires für diese Trio-Besetzung bedeutet, keine besonderen Ansprüche. Gelingt es den Interpreten, die elementaren Kräfte dieser Musik zu erfassen, hinterlässt das Trio einen tiefen Eindruck und verdeutlicht, in welcher musikgeschichtlichen und persönlichen Konfliktsituation das Werk entstanden ist.
Heribert Haase