Husmann, Mathias

Trio/Fünf Humoresken/Fantasie und Capriccio/Fantasie

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Klangvision 3104
erschienen in: das Orchester 10/2013 , Seite 78

„Wenn das, was du zu sagen hast, nicht schöner ist als die Stille, dann schweig.“ Dieses Gebot des kürzlich in biblischem Alter verstorbenen Henri Dutilleux könnte auch eine Maxime des Komponisten, Dirigenten und Liedbegleiters Mathias Husmann sein. Den Leiden der Welt, den Wunden, die Menschen einander unaufhörlich schlagen, eine „stachlige“ Musik entgegenzusetzen (wie Adorno es forderte), kommt für ihn nicht in Betracht.
Als Sohn einer Klavierprofessorin und eines Bildkünstlers in Hamburg aufgewachsen, lernte der vielseitige Musiker hier sein solides Handwerk. Sein Kompositionslehrer war Ernst Gernot Klussmann, der den Ruf genoss, Richard Strauss habe ihm die Ausarbeitung der Klavierauszüge seiner späten Opern anvertraut. In seinen Sinfonien, Konzerten, Kammermusiken und Vokalwerken erstrebte er eine „bis zum Äußersten differenzierte Klanglichkeit und absolute Polyphonie“, wobei er am klassischen Ideal melodischer Stimmführung festhielt. Tugenden, die bei seinem späten Schüler auf fruchtbaren Boden fielen. Wie dessen im März 2009 in Stralsund uraufgeführte Sibelius-Oper Zugvögel, die eine Wiederaufführung verdiente, eindrucksvoll bezeugte (vgl. das Orchester 5/09, S. 60), birgt die Musikgeschichte inspirative Kraftquellen, die längst noch nicht ausgeglüht sind. Sofern Traditionsbindung – nach Mahlers trefflichem Aperçu – nicht Anbetung der Asche ist, sondern Weitergabe des Feuers. Solch inneres Brennen ist dem Trio für Violine, Violoncello und Klavier anzumerken, das Husmann seiner Mutter Adelheid Zur 1982 zum 70. Wiegenfest widmete. Das 2009 überarbeitete, fast halbstündige, klangüppige Opus entfaltet einen (in eigener Weise) tonalen Kosmos, der Zeitnähe mit ästhetischer Bodenhaftung verbindet – wahlverwandt mit Maurice Ravel, Paul Hindemith oder auch Jean Sibelius. Die Titel der vier Sätze, die eine musikalische Substanzgemeinschaft eint, sprechen für sich selbst. Die einleitende Fantasie gibt sich mal locker rezitierend, mal liedhaft, auch wohl wie ein Kondukt. Es folgen ein partikelstöberndes Scherzo, eine getragene Elegie und eine rumpelstilzchenartige Burleske. Formal ähnelt das Ganze einer Suite: die Fantasie als Präludium, die drei Charakterstücke als Tanzsätze mit da capo. Für das Berlin Trio eine Wonne.
Die Fünf Humoresken für Violine und Violoncello, 2008/09 den Solisten des Schleswig-Holsteinischen Sinfonieorchesters Flensburg zugedacht, führen in eine strengere Stilwelt: geistreiche Miniaturen, die der flotten Gangart des Allegros unterschiedliche Charaktere abgewinnen: giusto, giocoso, severo, leggiero und furioso. In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister!
Die hohe Kunst des ableitenden und abwandelnden Motivspiels in realer Zwei- oder gar Dreistimmigkeit triumphiert in dem Diptychon Fantasie und Capriccio concertant für Violine solo (1998) – ein Epitaph für den jüdischen Geiger Max Kayser, das Christiane Edinger in all seiner kontrapunktischen und rhythmischen Kombinatorik randscharf ausstanzt und erhellt. Dem Prinzip des „alles aus einem“ huldigt auch die Fantasie für Violincello solo (2007): ein „Bäumchen wechsle dich“ cellistischer Spielund Ausdrucksarten, die Lluís Claret mit Hautgout auf den Punkt bringt.
Lutz Lesle