Werke von Erwin Schulhoff, Claude Debussy, Leoš Janáček und George Antheil
Traum und Trauma
Friederike Starkloff (Violine), Endri Nini (Klavier)
Man muss nicht unbedingt den Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg bemühen, wie es der Titel „Traum und Trauma“ des CD-Programms von Friederike Starkloff und Endri Nini tut, um ihre Werkzusammenstellung schlüssig und interessant zu finden. Weg von den Nationalstilen der Spät- und Spätestromantik haben alle vier auf dieser toll produzierten CD versammelten Komponisten eine ganz eigene, manchmal sogar eigenwillige Tonsprache entwickelt. Der eine setzte auf Motorik und eine aufgeraute Harmonik, der andere spürt lichten und gänzlich reduzierten Klängen nach. Der eine liebt das Spiel mit der Unterhaltungsmusik, während der andere ganz bewusst Neue Musik schreibt. Innerhalb der zehn Jahre zwischen 1913 und 1923 entstanden, zeigen die vier Werke eine enorme Bandbreite muskalischer Sprachen – und loten doch alle aus, welche Tragfähigkeit der klassische Titel „Sonate“ im beginnenden 20. Jahrhundert noch hat. Erwin Schulhoff und Leoš Janáček entwerfen vier Sätze, Claude Debussy konzentriert sich auf knappe drei Abschnitte und George Antheil reduziert seine zweite Violinsonate auf einen einzigen Satz. Klassische Überschriften, die eher Tempo als Inhalt festlegen, sind die Regel, es gibt aber bei Debussy („Fantasque“) und Janáček („Balade“) auch Hinweise zum musikalischen Ausdruck.
Die Geigerin Friederike Starkloff und der Pianist Endri Nini machen aus diesem schon auf dem Notenpapier kontrastreichen Programm geradezu einen Musterkatalog an Klängen und Ausdrücken. Erwin Schulhoff, der in seinem Sonaten-Erstling dort modern klingt, wo er weniger die motorischen Elemente der Musik betont, konturiert das Duo Starkloss/Nini sauber und herrlich robust und findet den Zugang zu dieser 1913 durchaus neuen Musik in einer in der Klangregie sehr klassischen Herangehensweise. Ganz anders dann Claude Debussy: Hier zaubert das fantastisch aufeinander hörende Violin-Klavier-Duo mit feinsten, changierenden Klängen, zartesten Abstufungen und einer großen Bandbreite im Ausdruck – ganz so, wie es sich der Komponist für sein musikalisches Universum vermutlich erträumt hat.
Dieser Debussy von Friederike Starkloff und Endri Nini sticht heraus aus einem Programm, das aber auch auf den letzten beiden Etappen nichts an musikalischer Intensität einbüßt. Leoš Janáčeks Violinsonate aus dem Jahr 1914 überzeugt mit Transparenz und einer wohldosierten Dynamik, die den vier stark kontrastierenden Abschnitten sehr gut zu Gesicht steht. Der jüngste Sonatenbeitrag auf dieser spannenden CD bildet dann ein sehr schlüssiges Finale, das eher Ausblick als Schlusspunkt ist. George Antheils Werk aus dem Jahr 1923 beginnt fast klassisch, endet aber mit einer einsamen Violinstimme, bei deren Begleitung der Pianist endgültig zum Schlagzeuger wird.
Daniel Knödler