Werke von Tailleferre, Ravel, Salzedo und anderen

Transatlantiques

Anne-Sophie Bertrand (Harfe)

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Ars Production ARS 38 333
erschienen in: das Orchester 6/2023 , Seite 73

Was für eine großartige Einspielung! Anne-Sophie Bertrand, der Soloharfenistin des hr-Sinfonieorchesters, ist hier ein wahres Meisterstück gelungen. Ein wunderbar stimmiges, durchdachtes Programm mit ungewöhnlichen, weil teils neu von ihr selbst arrangierten Stücken. Zudem herausragend gespielt!
Aber von vorne: Die zu hörenden Werke haben eines gemeinsam – sie erzählen vom musikalischen Austausch zwischen Europa und Amerika Anfang des 20. Jahrhunderts. Die goldene Ära der großen Transatlantikliner, auf denen sich auch oft (nicht immer freiwillig) Komponist:innen und Musiker:innen befanden. Am neuen Bestimmungsort erlebten diese fremde Eindrücke und erinnerten sich gleichzeitig ihrer Wurzeln. Inspiriert von Volksmusik, Poesie bis hin zum Blues entstanden Werke, die, teilweise adaptiert vom Klavieroriginal, hier im neuen Harfengewand erklingen. Das sowieso nicht große Harfenrepertoire wird auf der Einspielung geschickt mit tollen Bearbeitungen verknüpft, alles passt unglaublich gut zusammen. Der aufschlussreiche Booklettext in drei Sprachen trägt ebenfalls dazu bei.
Alborada del gracioso von Maurice Ravel klingt in der Harfenfassung so aufregend farbig, schillernd und dann wieder erdig und klar – Impressionismus pur. Die technischen Höchstschwierigkeiten kommen auf leichtem Fuß daher. Das gleiche gilt für das Originalwerk Bariolage (aus Trilogy) von Eliott Carter. Hier merkt man das Faible der Harfenistin für zeitgenössische Musik. Eine extrem präzise und gleichzeitig klangvolle Wiedergabe und Ausleuchtung der rhythmisch und technisch hochkomplexen Partitur. Neu arrangiert für Harfe sind die Etude-Tableau op. 33 No. 7 von Sergej Rachmaninow sowie die Rumänischen Volkstänze von Béla Bartók. Diese bestechen durch ihre rhythmische Klarheit, wieder kombiniert mit einem herrlichen Farbenreichtum – die Harfe begeistert mit strahlender Virtuosität, Brillanz in Anzupfdynamik und Klangspektrum. Mein absolutes Lieblingswerk ist das Prélude en forme de Blues No. 1 von Alexandre Tansman. Was für eine wunderbare Idee, dieses lässige Klavierwerk für Harfe zu übernehmen!
Vervollständigt wird die CD mit bereits vielfach aufgenommenen Originalwerken wie der Sonate pour Harpe von Germaine Tailleferre, den Variations sur un Thème dans le style Ancien op. 30 des berühmten Harfenisten Carlos Salzedo, der dreisätzigen Sonate für Harfe von Paul Hindemith und zum Schluss dem Impromptu pour Harpe op. 86 von Gabriel Fauré. Alle in klangtechnisch neuen Maßstäben gespielt, texttreu, auf Klarheit bedacht, wohlüberlegt und virtuos zelebriert. Eine Referenz-Einspielung! Wenn man weiß, wie kompliziert dieses ganze Repertoire auf der Harfe ist, kann man einfach nur den Hut ziehen! Eine absolute Empfehlung für neugierige Hörer:innen!

Silke Aichhorn

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