Della Giacoma, Carlo

Tosca Fantasia

for Clarinet and Piano op. 171

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2010
erschienen in: das Orchester 06/2011 , Seite 72

Im Jahr der Uraufführung von Puccinis gleichnamiger Oper schrieb auch Carlo Della Giacoma (1858-1929) die Tosca Fantasia für Klarinette. Der italienische Komponist war selbst Klarinettist und wirkte als Pädagoge, Musikwissenschaftler sowie Dirigent. Seine Tosca Fantasia ist eine Bearbeitung des Musikdramas in drei Akten für die kammermusikalische Praxis und folgt in ihrer Art dem Zeitgeschmack um 1900. Die Partitur, auf einer Fotokopie des Originalmanuskripts beruhend, ist nun in der Reihe Musica Rara des Verlags Breitkopf & Härtel erstmalig im Print erschienen. Weiterhin existiert das Werk auch in einer Fassung für Soloklarinette und Kammerorchester, die bisher noch nicht herausgegeben wurde.
Die Paraphrase auf Puccinis dem Verismo verpflichtete Oper mit ihren blühenden Kantilenen, in der die Harmonik großen Anteil an der Charakterisierung von Stimmungen und Personen hat, scheint geradezu prädestiniert für eine Bearbeitung für die Klarinette, zumal Tosca eine wichtige Probespielstelle ist. Verschiedene Themen aus der Oper bilden die Grundlage für Della Giacomas Komposition. Herausragend ist dabei Mario Cavaradossis Abschiedsgesang „E lucevan le stelle“, der sich zuerst rezitativisch, dann zu blühendem Belcanto entfaltet und im Original von dem berühmten Klarinettensolo eingeleitet wird.
Die Tosca Fantasia gibt dem Interpreten sowohl klanglich als auch spieltechnisch die Möglichkeit, das ganze Potenzial der Schönheit des Klarinettenklangs auszuschöpfen, wobei ein fein abgestimmtes Zusammenspiel mit dem Klavier der Tiefgründigkeit und den schwelgenden Klangfarben aus Puccinis Oper Ausdruck verleihen kann. Das vielseitige und virtuose Stück bietet interessante Variationen. Neben schnellen Charakterwechseln, dynamischer Breite, langen technischen Passagen sowie diversen Tempi-Wechseln für Klarinette und Begleitung werden bekannte und weniger bekannte Melodien nahezu tänzerisch miteinander verquickt. Für die Interpretation ist von Bedeutung, dass der besondere Charakter einer bestimmten Passage immer im Vordergrund bleibt und der Klarinettist nicht allein mit technischem Können brilliert. Im Klavier gilt es, einen möglichst vollen orchestralen Klang als Gegengewicht zu finden.
Della Giacomas Tosca Fantasia ist große Oper im Miniaturstil, Solist und Klavier füllen im Idealfall einen Klangraum und eine Bühne zugleich und können außerdem ihr Publikum auf eine Fantasiereise der Bilder, Töne und großen Gefühle mitnehmen. So ist der Solist zuweilen Sänger und zuweilen Entertainer, und die als Unterhaltungsstück verpackte Kammermusik ist gar nicht so wirklich in ihrem Genre zuhause, denn eine Diva, hier die Klarinette, wie beispielsweise unverkennbar ab Takt 33, findet eine Bühne vielleicht doch reizvoller als eine Kammer.
Juliane Bally

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