Bach, Johann Sebastian / Torsten Laux

Toccata d-moll

bearb. für Orgel und Orchester

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Daniel Kunert, Unterlüß 2009
erschienen in: das Orchester 12/2009 , Seite 64

Orchesterwerke für Orgel oder andere Tasteninstrumente zu bearbeiten – das ist eine weit verbreitete Form des Arrangierens. Deutlich seltener ist der umgekehrte Fall, wenn nämlich ein Orgelstück für Orchester gesetzt wird.
Der Kirchenmusiker und Organist Torsten Laux hat genau dies unternommen und dazu gleich noch mit einem der bekanntesten Stücke der Orgelliteratur überhaupt: Bachs Toccata d-Moll, die – allerdings gemeinhin mit der ihr zugehörigen Fuge – nicht nur auf ungezählten Klassik-CDs eingespielt ist, in ungezählten Konzerten und Gottesdiensten erklingt, sondern selbst in zahlreiche Nummern der U-Musik Eingang gefunden hat und nicht zuletzt ganz oben auf der Liste der Hintergrundmusiken für Computerspiele rund um Geisterschlösser und Henkersknechte steht.
Liest man den Titel, mag man dennoch etwas verwundert sein – umfasst doch das Original ohne die Fuge gerade einmal 30 Takte; ein recht bescheidener Umfang für ein Orchesterstück. Doch hat der Autor sich nicht auf die orchesterfarbige Wiedergabe der Originalfassung beschränkt, sondern tatsächlich ein neues Stück um das Bach’sche Werk geschaffen, das insgesamt vier Mal so lang ist wie das Vorbild.
So behält Laux hier für eine Besetzung von je zwei Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotti, Hörnern und Trompeten, Pauke, Harfe, Orgel und Streichern zwar quasi die Eckdaten des Originals harmonisch und melodisch bei, füllt jedoch die Zwischenräume mit stark verfremdetem, teils auch ganz neuem Material. Gerade die Pauke etwa spielt dabei immer wieder eine zentrale Rolle, akzentuiert die Passagen der tiefen Streicher, leitet neue rhythmische Phasen ein. Als die Orgel in harmonischen Fortschreitungen vielfach ergänzendes Instrument tritt die Harfe auf, während den Bläsern hauptsächlich die Funktion der dynamischen Steigerung zum Abschluss einzelner Kadenzen (und natürlich der Schlusskurve des Stücks) obliegt. Die Streicher fungieren in erster Linie als harmonischer Stützapparat (nur zu Beginn haben Celli und Bässe einmal eigene melodische Funktion), denn der das Original immer noch am deutlichsten zitierende und hervorhebende Part ist und bleibt auch in dieser Bearbeitung der der Orgel. Das führt dazu, dass man sich an mancher Orgelstelle fragt, ob man hier nicht – wenn schon Bearbeitung – eine Orchesterfarbe gewinnbringender einsetzen hätte können. Aber natürlich ist Laux Organist und somit parteiisch.
Er spielt mit dem Material, indem er es beispielsweise auseinanderreißt und anders wieder zusammensetzt, indem er rhythmische oder melodische Elemente verjazzt, ganz neue harmonische (oft auch leicht jazzige) Ideen einbringt, aber auch indem er in einer mehr oder weniger original übernommenen Melodielinie mittendrin das Instrument wechselt und somit andere farbliche Wirkungen erzielt.
Ein originelles Stückchen Bach in ausführlicher Fassung also, das alleine schon ob seines eher bescheidenen Umfangs sicher nicht zu einem Standardwerk der Orchesterliteratur avancieren dürfte, aber sich etwa für Jugendkonzerte durchaus anbieten könnte, um Bach einmal aus einer anderen Perspektive zu beleuchten.
Andrea Braun