Tiefflug/Höhenflug

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Castigo CD 02433
erschienen in: das Orchester 01/2011 , Seite 77

Ein neuer Name taucht auf in dem erlesenen Kreis der deutschen Kont­rabass-Solisten, die sich auch mit einer CD der Öffentlichkeit vorstellen: Es ist Frank Thoenes, Solobassist bei der Norddeutschen Philharmonie in Ros­tock und zugleich Dozent an der dortigen Hochschule für Musik und Theater. Er begann mit vierzehn an der Musikschule in Viersen und verfolgte dann einen sehr gradlinigen Weg zu verschiedenen Studienstationen, in interessanten Orchesterpositionen und an bedeutenden Aufführungsorten.
Seine CD, aufgenommen zusammen mit dem versierten Pianisten und Hochschulkollegen Jens Hoffmann, fällt allein schon durch das etwas ausgefallene Programm auf. Die Eccles-Sonate in a-Moll gehört zwar zum Standardrepertoire aller Studenten, Thoenes bereichert die Solostimme jedoch durch zahlreiche eigene Verzierungen und Veränderungen. Die viersätzige barocke Sonate steht am Anfang und ist vielleicht weniger zum Einspielen für ihn als vielmehr zum Einhören für das Publikum gedacht.
Zwei gemäßigt moderne Werke für Kontrabass solo setzen Akzente auf dieser Veröffentlichung: zum einen die sechs Stücke von Giselher Klebe, kurze Klangeindrücke von ein- bis maximal zweiminütiger Dauer. Es sind „sprechende“ Stücke mit Emotion und Ausdruck, technisch nicht übermäßig schwer, mit den üblichen Bass-Effekten wie Pizzikato und doppelgriffigen Flageoletts in den beiden letzten Teilen. Zum anderen dann das eigens für Thoenes und diese CD geschriebene Werk Tiefflug-Höhenflug von Bodo Reinke, das auch zum Titel gewählt wurde. Hier gibt es witzige Szenen, Perkussionsmomente, dazu bassal-geballte Kraft mit echt geschnarchten Tönen. Aber eben auch hier werden die Lagen des ewigen Kollophoniums besucht, die das Besondere dieses Instruments ausmachen.
Die in die Mitte gestellte Violinsonate A-Dur von César Franck ist ja für beide Instrumente sehr wirkungsvoll geschrieben. In der vorgelegten Fassung mit Bass gewinnt kräftemäßig aber eindeutig das Klavier, das bei der geforderten Vollgriffigkeit nicht leiser spielen kann. Man kann nur die Virtuosität von Thoenes bewundern, die Frage aber, wer wen begleitet, ist hier ungeklärt. Auch bei dem Intermezzo und der Tarantella von Reinhold Glière (hier mit op. 32 angegeben, es ist wohl aber op. 9?) geschehen solche ungleichen Kräftespiele, obwohl es sich hier um Originalsätze handelt. Mit Energie und Feinschliff addieren sich beide zu einer fortdauernden, virtuos ausgefüllten Hochstimmung.
Das italienische Finale mag den Hörer vielleicht am meisten von der überragenden Spielkultur dieses Bassisten überzeugen. Die hochartifizielle Fantasia von Giovanni Bottesini über Themen aus Donizettis Lucia di Lammermoor gibt dem Kontrabass viel Raum zur tonlichen Entfaltung, der Klavierpart ist entsprechend dürftig ausgestattet: Man spürt, dass Bottesini selbst Bassist war. Und auch die von den Cellisten geliehenen Variationen für eine Saite nach einem Thema von Rossini (aus Moses in Ägypten) sind ganz im Opernstil geschrieben, voller drastischer Klangeffekte und stimmlich-tonlicher Variabilität.
Das Booklet ist etwas dünn und bringt außer einigen Informationen über die Künstler keine Hinweise auf die gespielten Werke.
Wolfgang Teubner