Thrower, John
Through time and space (1984)
"time collapse" for Violin, Viola or Violoncello
Hochdekoriert und mit Preisen überhäuft worden ist er, der 1951 geborene Kanadier John Thrower. Zu Beginn der 1980er Jahre galt er als größtes avantgardistisches Kompositionstalent Kanadas, seine Werke wurden Seite an Seite mit denen eines Luciano Berio und John Cage aufgeführt. 1984 kam der totale Bruch mit dem von ihm als esoterisch und narzisstisch empfundenen Mainstream der Neue-Musik-Szene. Wofür ist serielle Musik gut, wenn sie nur Kopfweh verursacht? Wenn die klassische Musik es wieder schafft, den Zuhörer durch das Herz anstatt durch den Intellekt anzusprechen, wird das Image der klassischen Musik, das unglücklicherweise in den letzten 60 Jahren durch Betonung des Egos, des Intellekts und des selbstzentrierten Denkens bestimmt wurde, sich wieder verbessern. Es gibt viele Komponisten, die sagen: ,Was kümmert mich das Publikum, ich schreibe, was ich will, und wenn es die Leute nicht verstehen, ist es deren Problem. Entschuldigung, aber so wird es nicht funktionieren.
Die neue Richtung, der er sich verschrieb, nannte er Classic Fusion: Zwölftontechnik, serielle Musik, Elektronische Musik etc.? Wie steht es mit lyrischer und motivischer Entwicklung wie in früheren Zeiten? Was ist mit kontrapunktischer Betrachtung? Nehmen wir ein bisschen Minimal dazu, und was ist mit moderner Tonalität und Filmmusik? Und was ist mit Jazz, Funk, Cool, House, Pop, Hip-Hop, Loops, Patterns und Multi-Media? Die stilistischen Überlegungen sollten auch Teil unserer Erwägungen sein
Wie ist also meine Kompositionstechnik? Sie enthält das, was im oberen Abschnitt beschrieben wird, und ich hoffe sogar noch mehr. Thrower skizziert damit einen Ansatz, wie er hierzulande ähnlich auch von Heiner Goebbels vertreten wird.
Den Noten von Through time and space für Violine (oder Viola oder Violoncello) solo ist reichlichst Informationsmaterial beigegeben (und sogar eine CD, auf der Johannes Krampen das Werk kompetent interpretiert). Unter anderem schildert der Komponist die Umstände seiner Wandlung vom Saulus zum Paulus und deren direkten Zusammenhang mit der Entstehung dieses Stücks. Lassen wir den Überbau einmal ebenso beiseite wie die irrelevante Frage, ob die Konzeptionen und Grundüberzeugungen Throwers den Vorstellungen des Rezensenten entsprechen und wenden uns der Komposition direkt zu. Die Motive sind zumeist rhythmisch-motorisch akzentuiert, dabei sehr lebendig, schließen Elemente des traditionellen Fiddlings ein. Das Crossover zur populären Musik offenbart sich in den einfachen tonalen Schemata, wie übrigens auch in den Themenbeschreibungen: hip-hop con ritmo, quasi spoken rap, light swing etc. Originell, raffiniert und damit interessant wird diese spielerische Mixtur durch die beigegebene Dosis ironischer Verfremdung und augenzwinkernden Humors: should sound like a defective CD back-skip.
Fazit: vielleicht nicht jedermanns Ding, aber ein sehr effektvolles, farbiges, dabei nicht sehr schwer zu spielendes Stückchen, das in einem Soloprogramm wirkungsvoll in einen kontrastierenden Zusammenhang gestellt werden könnte.
Herwig Zack