Werke von Jacob van Eyck, Komitas Wardapet und Marin Marais

The Trombone’s Pleasure Garden

Ercole Nisini (Baroque Trombone), Peter Kuhnsch (Historical Drums)

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Genuin classics
erschienen in: das Orchester 12/2025 , Seite 78

Ob Blockflötenmusik der Renaissance, Mozarts Zauberflöte oder die Kanonischen Sonaten von Telemann – der Italiener Ercole Nisini macht sie sich alle für die Barockposaune gefügig. Womit man zu der Frage kommt, was eine gute Bearbeitung eigentlich ausmacht. Jedenfalls sollte sie die Seele eines Werkes nicht verletzen, im Idealfall über es hinausweisen und neue Facetten an ihm aufzeigen, die man im Original nicht erahnt. Dazu ist Ercole Nisini unbedingt in der Lage – im Gegensatz zu vielen Arrangeuren, die nur auf technische Machbarkeit schielen. Seine aktuelle CD hat der Barockposaunist als Artist in Residence im Gut Hohen Luckow in Mecklenburg-Vorpommern aufgenommen.
Die Aufnahme ist ebenso unkonventionell wie der Ort, an dem sie eingespielt wurde: ein faszinierendes Projekt rund um ein historisches Herrenhaus, das seit 30 Jahren Landwirtschaft, Dorfentwicklung und Kultur vereint. Ercole Nisini hat hier ein Jahr lang, bis Mai 2025, Musikprogramme in unterschiedlicher Besetzung erarbeitet und aufgeführt, für seine Einspielung nun aber eine ebenso puristische wie experimentelle und auch waghalsige Kombination gewählt. Der gefragte Spezialist historischer Aufführungspraxis ist darauf nämlich allein mit dem Percussionisten Peter Kuhnsch zu hören, nicht zu vergessen einige elektronische Klänge, die Nisini hinzuerfunden hat. Aus tiefer Kenntnis der Spielkultur des 16. und 17. Jahrhundert entsteht etwas ganz Neues, streng und beseelt zugleich, innig und herb und auch dies: ein wenig verstörend.
Man muss schon etwas beim Gedanken schlucken, dass der ätherische, glockenhelle Fluyten-Lusthof des Renaissancemeisters Jacob van Eyck hier mit Posaune und Trommel begangen wird. Doch geht es Nisini keineswegs darum, ebenso virtuos wie die Blockflöte aufzuspielen. Die schwierigsten Variationen des Lusthofes hat er auch gar nicht berücksichtigt. Vielmehr lässt er dessen meditative Kraft aufleuchten, bläserische Klangschönheit tritt zurück hinter einen etwas indirekten, farbenreichen, grob pigmentierten Posaunenton. Ercole Nisini ergänzt die Eyck-Stücke intuitiv um eine Melodie des armenischen Komponisten Komitas Wardapet (1869-1935) und um Les Voix Humaines von Marin Marais. Warum? „Weil ich sie einfach liebe.“ Der überirdisch schöne Klagegesang von Marais bleibt auch in der Version für Barockposaune und elektronischen Grund bewegend – hier klingt Nisini ein wenig wie sein Jazzkollege Nils Landgren.
Zusammengefasst ist dem Italiener eine kreative, ungewöhnliche und anregende Aufnahme gelungen, die in erster Linie eine Liebeserklärung an die Musik ist, ohne stilistische Hemmungen oder besetzungstechnische Vorbehalte. Leider nutzt sich das Konzept gegen Ende hin etwas ab und hat dann so seine Längen. Ein spezieller Genuss.
Johannes Killyen

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