Hoche, Hubert

The sun is shining over a winter landscape

for ensemble, Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: H. H.-Musikverlag, Helmstadt 2012
erschienen in: das Orchester 10/2013 , Seite 68

Weil es eigentlich alles schon einmal gegeben hat, ist zeitgenössisches Komponieren ganz dringend auf originelle Köpfe mit ebensolchen Einfällen angewiesen. Hubert Hoche, Jahrgang 1966, ist da offensichtlich auf dem richtigen Weg, seine Arbeiten finden Interesse, werden aufgeführt. Nach einer vielseitigen und praxisorientierten Ausbildung u. a. in Weimar und Paris widmet er sich als Chor- und Orchesterdirigent intensiv der Vermittlung und Verbreitung neuer Musik, gründet einen eigenen Verlag, der seine und die Arbeit von Kollegen unterstützt, und findet auch noch Zeit für Gremien wie den Komponisten- oder den Tonkünstlerverband. Zum Glück wird Hoche von angesehenen Interpreten dabei unterstützt, Zuhörer für das Erleben von neuer Musik zu gewinnen, Neugier zu wecken, Schwellenangst zu nehmen. Bei The sun is shining over a winter landscape war es das Landesjugendensemble für Neue Musik Thüringen mit seinen jungen, ebenso qualifizierten wie begeisterungsfähigen Musikern, in dessen Auftrag die Komposition auch entstanden ist. Uraufgeführt wurde sie am 13. April 2012 in Weimar unter der Leitung von Juri Lebedev, der das Quintett aus Flöte, Klarinette, Violine, Violoncello und Klavier mit der vielfältigen und raumgreifenden Schlagwerk-Gruppe zu koordinieren hatte.
Obwohl der Notentext als solcher verbindlich ist, weil konventionell notiert und ohne erweiterte Spieltechniken, lässt die Komposition viel Raum für die Fantasie von Ausführenden und Zuhörern. Der programmatische Titel, ein Merkmal, das man bei Hoche häufiger findet, erlaubt hier besonders vielfältige Assoziationen. Die klanglichen Möglichkeiten des instrumentalen Quintetts, die für das Bild der sonnenüberstrahlten winterlich verschneiten Landschaft stehen könnten, wechseln zwischen vollstimmigen, fast schon orchestral wirkenden Abschnitten und durchsichtigen, mehr solistischen Passagen. Der Satz ist übrigens sechsstimmig, weil das Klavier zwei selbstständig geführte Stimmen vertritt. Kompositorisch realisiert durch sich subtil verschoben wiederholende Ereignisse rhythmischer, melodischer und harmonischer Art entstehen spezifische Klangfarben und Klangmischungen, die sich mit Vorstellungen wie Licht, Wärme und Kälte oder Dauer assoziieren lassen und deren Struktur an Minimal Music denken lässt.
In diese Klangräume, wie es der Komponist nennt, setzen die verschiedenen Schlaginstrumente Akzente, machen hörbar, was durch die Sonne mit dem Schnee passiert, wie Wasser taut und tröpfelt oder tropft, wie Eis knirscht und bricht. Dabei unterstützt das ziemlich durchgehend beteiligte Marimbafon das Klavier, mehr punktuell eingesetzt werden die Crotales, Scheibenglocken aus Messing, oder das im Jazz beheimatete Ride Cymbal, ein mit einer Glocke versehenes Becken. Außerdem gibt es eine Große Trommel und sogar ein Tam Tam, und als kleine handliche Instrumente Claves bzw. Klanghölzer und Woodblocks (in der Partitur Templeblock genannt), die wirklich wie Wassertropfen klingen. Das Stück ist technisch nicht allzu schwer, im Zusammenspiel aber stellenweise sehr anspruchsvoll. Als gut gearbeitete und wirkungsvolle Impression wird es Ensembles mit entsprechendem Instrumentarium bestimmt gefallen.
Ursula Pešek