Wagner, Richard
The Ring Without Words
A Symphonic Synthesis by Lorin Maazel
Der Dirigent Lorin Maazel ist einer der wagner-erfahrensten Dirigenten. Er dirigierte seinen ersten Ring 1967 in Bayreuth. 20 Jahre später bat ihn eine Schallplattenfirma, ein rein orchestrales Destillat, eine sinfonische Synthese des Ring anzufertigen und mit den Berliner Philharmonikern einzuspielen. Im Jahr 2000 hat er dieses Experiment noch einmal realisiert, diesmal wurde es auf DVD in bester Ton- und Bildqualität mitgeschnitten.
Es ist faszinierend zu sehen, wie im Rheingold-Gewitter Donners Hammerschlag von einem Musiker der Berliner Philharmoniker ausgeführt wird. Und danach übergeht in Gewittermusik der Walküre. Oder
wie die Philharmoniker die Szene spielen, in der Siegfried mit seinem selbstgeschmiedeten Schwert den Amboss der Schmiede seines Ziehvaters zerschneidet. Das bedarf keiner szenischen Realisierung. Unsichtbares Theater, so Wagner. Die Musik sagt eigentlich alles. Der Regisseur Yutaro Mimuro setzt die musikalischen Vorgänge auf dem Konzertpodium so meisterhaft ins Bild, der Dirigent Lorin Maazel lässt die Schnittstellen der musikalischen Brüche so nahtlos ineinander übergehen, dass der Zuschauer/Zuhörer den Gang der Musik schlagartig versteht. In einem als Bonus angehängten Interview betont Maazel, dass ich nichts dazu komponiert habe, sämtliche Musik in dieser symphonischen Synthese des Rings ist von Richard Wagner. Und sie ist chronologisch aufgebaut. Es beginnt mit den ersten Takten des Rheingolds und endet mit den letzten Takten der Götterdämmerung. Die Idee solcher sinfonischen Synthesen stammt eigentlich vom großen Dirigenten Leopold Stokowski, der schon in den späten 1920er Jahren mit sinfonischen Eindampfungen des Tristan und des Boris Godunow überraschte.
Lorin Maazels Ring ohne Worte konzentriert das 16-stündige Mammut-Werk auf knapp 80 Minuten. Ein Fenster, durch das man einen Blick auf den Ring als Ganzes erhaschen kann, so Maazel. Die Beschränkung auf das rein orchestrale, das motivische Material und seine Behandlung ohne jede Ablenkung durchs Inszenatorische, Mimische und Verbale offenbart mehr als in jeder Bühnenaufführung Wagners ungeheure Größe als Sinfoniker. Das meiste dieser Musik (bis zum 2. Siegfried-Akt) entstammt den 1850er Jahren. Vergleicht man, was andere Komponisten zu dieser Zeit geschrieben haben, dann wird deutlich, mit welchem Recht Wagner behaupten durfte, dass er sich astronomisch weit vom Bestehenden entfernt habe.
Die Berliner Philharmoniker spielen unter Maazel diese gestische, illustrative, mit Leitmotiven die Handlung erklärende und kommentierende Musik mit prachtvollster Spiel- wie Klangkultur und einem Furor, der mitreißt. Man begreift plötzlich die Worte Friedrich Nietzsches, der über Wagners Musik schreib: Seine Kunst führt ihn immer den doppelten Weg, aus einer Welt als Hörspiel in eine [
] Welt als Schauspiel und umgekehrt.
Dieter David Scholz